100 Filme: Der Leopard (Il Gattopardo)

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Auf DVD: Der Leopard (Il Gattopardo)

Geschichtsdrama, Italien/Frankreich 1963, Regie: Luchino Visconti, Musik: Nino Rota, mit Burt Lancaster, Alain Delon, Claudia Cardinale, Paolo Stoppa, Rina Morelli, Serge Reggiani, Mario Girotti (aka Terence Hill)

Inhalt: Sizilien 1860: General Garibaldi kämpft für ein vereintes Italien, und die Unruhen erreichen auch das eher beschauliche Leben auf den Gütern des Fürsten Salina (Lancaster, Foto). Der schließt sich zum Befremden seiner Standesgenossen den Ansichten der Aufständischen an, wobei er keinesfalls sonderlich aktiv wird, sondern eher schulterzuckend den unvermeidlichen Untergang der eigenen Klasse hinnimmt.

Filmhistorisch bedeutsam, weil: Große Charaktere in Zeiten des Umbruchs (und besonders des Untergangs) sind grundsätzlich immer ein dankbares Thema, sei es für den Western (The Wild Bunch, 1968), den Samuraifilm (Die sieben Samurai, 1954) oder aber, wie hier, einen opulenten europäischen Kostümfilm.

Fürst Salina hält nicht viel von den Konventionen, die ihm sein Stand und das katholisch keusche Leben aufzwingen. Als ihn sein Pastor beim Bordellgang erwischt, gibt der die erschröckliche Sünde nicht nur offen zu, sondern beklagt sich offen, dass seine Frau Gemahlin sich beim Beischlaf zu bekreuzigen pflege. Unter einem fröhlichen Leben stellt er sich etwas anderes vor. Demselben Pastor tritt er auch in einer Szene nach dem Bad ganz ungeniert textilfrei entgegen, was dem armen Gottesmann die Schamesröte ins Gesicht treibt.

Salina weiß, dass die Gesellschaft, in der er lebt und die ihn trägt, sich überlebt hat. Ob er nun für oder gegen die Rebellen ist, spielt gar keine Rolle. Er findet lakonisch, dass die Dinge sich eben ändern müssen, damit alles beim Alten bleibt. Er lehnt es auch ab, als er als Senator für Sizilien in die große Politik einsteigen soll. Es ist zu spät, sagt er, und der Fall ist für ihn erledigt.

Die Handlung kulminiert in einer finalen Ballszene, die Visconti eine geschlagene Dreiviertelstunde dauern lässt (und für die Nino Rota einen ganzen Haufen Walzer im Stil der Zeit komponierte). Hier feiern sich die Revolutionäre von einst in fürstlichem Prunk, während Salina zynisch über die in adeligen Kreisen weit verbreitete Inzucht lästert und tieftraurig seinen eigenen Tod heranziehen sieht. Es endet ganz beiläufig am nächsten Morgen damit, dass die wenigen, die noch an die Revolution glauben, als Deserteure erschossen werden. Kurz und gut: Die ganze Revolution war mal wieder für'n Arsch, und Salina hat mit seiner pessimistischen Geschichtsauffassung Recht behalten. Im bewusst farbenfrohem Kontrast dazu stehen Ausstattung und Kostüme vom Feinsten.

Selten ist es im Film besser gelungen, persönliches Schicksal in einen historischen Kontext einzubetten (als Vorlage diente der gleichnamige Roman von Giuseppe Tomasi di Lampedusa) und damit sogar noch einen zeitlosen Kommentar zu gesellschaftlichen Pseudo-Umwälzungen zu verknüpfen.

Eine Geschichte so zu erzählen, braucht natürlich Zeit und verlangt vom Zuschauer einiges an Aufnahmebereitschaft (und Sitzfleisch). Der im Original über drei Stunden lange Film war früher in Deutschland nur deutlich gekürzt zu sehen. Inzwischen ist auf DVD auch hier die vollständige Fassung erhältlich, die um einiges runder wirkt.