100 Filme: Der Saustall (Coup de torchon)

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Auf DVD: Der Saustall (Coup de torchon)

Thrillersatire, Frankreich 1981, Regie: Bertrand Tavernier, Kamera: Pierre-William Glenn, Musik: Philippe Sarde, mit Philippe Noiret, Isabelle Huppert, Stéphane Audran, Jean-Pierre Marielle, Eddy Mitchell, Guy Marchand, Irene Skobline, Michel Beaune, Jean Champion

Intro: Es gibt Literaturverfilmungen, die kleben Wort für Wort am Originaltext, bemühen sich in umständlicher Detailbesessenheit noch um die nervtötendste Nebenhandlung und vermitteln doch gar nichts vom Geist der Vorlage. Und dann gibt es auf der anderen Seite Romanadaptionen wie Der Saustall, worin die Handlung von Jim Thompsons 1280 schwarze Seelen einfach aus dem amerikanischen Süden nach Afrika verfrachtet wird, und trotz dieses nicht gerade unerheblichen Eingriffes ist dies die genaueste Verfilmung eines Thompson-Romans überhaupt (Thompson schrieb auch den Roman Getaway, zweimal verfilmt, aber beide Male ohne das extrem pessimistische Ende).

Inhalt: Französisch-Westafrika, kurz vor dem Zweiten Weltkrieg: Der träge Dorfpolizist Lucien wird von allen nur verarscht. Seine schlampige Frau hat ein offenes Verhältnis mit einem tumben Muskelpaket, der örtliche Hauptunternehmer baut eine Latrine direkt vor Luciens Schlafzimmer, zwei Zuhälter erniedrigen ihn schon beinahe hobbymäßig, und wenn aus dem Nachbarort sein Kollege Marcel hereinschaut, dann nur, um blöde Sprüche zu klopfen und derbe Späße zu treiben. So geht das tagein, tagaus, bis Lucien es plötzlich leid ist und beginnt, den Saustall auszumisten. Mit seinem treudoofen Bernhardinerblick stellt er seinen Feinden raffiniert ausgetüftelte Fallen.

Filmhistorisch bedeutsam, weil: Obwohl es (auch) um Selbstjustiz geht, ist Der Saustall doch kein Thriller im Gefolge der damals recht beliebten Charles-Bronson-Hits wie Ein Mann sieht rot (1974). Lucien Cordier ist und bleibt der Antiheld, der am liebsten isst und schläft, denn (so findet er):

Während man isst oder schläft, denkt man nicht über die Dinge nach, an denen man sowieso nichts ändern kann.

Eingebettet ist dieses monumentale Pflegma in die schwül-heiße Kaff-Atmosphäre, die Kameramann Pierre-William Glenn in brillanten Bildern einfängt. Wenn es dann endlich zum Ausmisten des Saustalls kommt, trägt das, anders als bei Bronson und Co, nicht einmal zu einer besseren Welt bei: Die ist hinterher immer noch genauso beschissen, nur hat Cordier selbst ein paar Quälgeister weniger am Hals.

Bertrand Tavernier präsentiert dieses nicht gerade erbauliche Tableau mit einer kräftigen Dosis Zynismus (der aber, wie jeder gute Zynismus im Grunde hochmoralisch ist) und einem bisweilen pechschwarzem Humor. Dabei bleiben Spannung und Witz einerseits und doppelbödige Gesellschaftsanalyse andererseits im wohlausbalancierten Gleichgewicht. Hinter den karikaturistischen Überzeichnungen steckt eben auch immer ein Stück tiefere Wahrheit, gleich ob es sich um Hackordnung, Willkür, Mobbing oder sonstige Unerquicklichkeiten des täglichen Wahnsinns dreht. Damit appelliert Tavernier zwar auch bewusst an den niedrigen Instinkt in uns allen, gönnt ihm im Unterschied zu den Bronson-Vehikeln aber nicht das befreiende Moment der Erlösung. Das funktioniert letztlich aber auch nur deshalb so gut, weil Tavernier ein durchweg großartiges Ensemble zur Verfügung stand: Solch homogen gute Darstellerleistungen sind und waren in der Kinogeschichte stets selten.