100 Filme: Django

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Auf DVD: Django

Western, Italien/Spanien 1966, Regie: Sergio Corbucci, Buch: Sergio und Bruno Corbucci, Kamera: Enzo Barboni, Musik: Luis Enríquez Bacalov, mit Franco Nero, Loredana Nusciak, José Bódalo, Eduardo Fajardo, Ángel Álvarez

Inhalt: Schon der Anfang ist, gelinde gesagt, bizarr: Ein schwarz gekleideter Finsterling schleppt zum Vorspann im schönsten Sauwetter einen Sarg durch den Schlamm. Er wird Zeuge, wie vier miese Typen eine Frau heranzerren und mit sichtlichem Vergnügen auspeitschen. Fünf andere Typen kommen an und knallen das Sadistenpack ab, aber die gute Frau hat wahrlich keinen Grund zum Jubeln. Denn ihre Retter sind noch viel miesere Typen. Sie wollen sie nicht nur auspeitschen, sondern gleich kreuzigen. Wie gut, dass Django einschreitet und eine seiner Weisheiten verkündet, nur eins sei wichtig, nämlich dass man sterben muss. Und das tun die fünf miesen Typen dann auch.

Ähnlich leichenreich geht es dann weiter. Das ist in dem nahegelegenen Grenzkaff nichts Neues, denn dort bekriegen sich der rassistische Südstaaten-Major Jackson und General Hugo, Chef einer mexikanischen Miliz. Django, der eine persönliche Rechnung mit dem ganzen Pack offen hat, schaut zu, dass er den allgemeinen Body-Count drastisch hochschnellen lässt. Doch dann fällt er einem seiner Gegner in die Hände …

Filmhistorisch bedeutsam, weil: Gegen Mitte der 60er Jahre entdeckten die Italiener, ermutigt durch die großen Erfolge der deutschen Karl-May-Filme, den Western als Spielwiese für wortkarge Helden und simple Rachegeschichten. Das meiste davon war billige Routine, doch einige Werke beeinflussten später sogar den US-Western. Neben den Filmen von Sergio Leone war dies vor allem Django von Sergio Corbucci, der damit den populärsten und meistausgeschlachteten Charakter des Subgenres etablierte. (Bis heute ist in Deutschland immer noch ein Sketch aus der Blödelreihe Klimbim populär, worin es heißt: Django zahlt heut nicht.)

Sergio Corbucci äußerte sich zum Erfolg von Django in einem Interview mit der Zeitschrift film (Mai 1968, Seite 26):

Der italienische Western verdankt viel dem japanischen Film. Zwei oder drei unserer wichtigsten Arbeiten, so auch Django, stehen unter direktem Einfluss von - sagen wir - Die sieben Samurai. Mit Django ist es mir gelungen, dem Italo-Western neue Seiten abzugewinnen und eine Welle in Bewegung zu setzen. Das Originelle daran: Der Held hat viel Sinn für Humor - er bewegt sich in einem Westen aus Schmutz und Regen, schleift einen Sarg hinter sich her. Diese Vorstellung allein fand ich damals zum Totlachen - einen Bezug zur gesellschaftlichen Realität herzustellen, bedeutet Konstruktion im nachhinein und deckt sich gewiß nicht mit meiner erklärten Absicht. (…) Auch daß ich den Helden Django genannt habe als Hommage an den (…) Gitarristen Django Reinhardt, wird nicht zuletzt für seinen Erfolg von Bedeutung gewesen sein.

Auch wenn Corbucci es hier abstreitet, so dürfte er auf die politischen Deutungen durchaus spekuliert haben (immerhin ist der Hauptbösewicht Anführer einer Fanatikertruppe, deren Auftreten an den Ku-Klux-Klan erinnert). Auch hat er bei späteren Filmen entsprechende Bezüge nur zu gern selbst hergestellt, etwa wenn er zu Leichen pflastern seinen Weg ein wenig scheinheilig meint:

Diesen Film habe Luther King, Che Guevara, Bob Kennedy und all jenen gewidmet, die ermordet worden sind und deren Tod in jedem Fall zu etwas gedient hat und wenn nur dazu, die Gewalttätigkeit zu verdammen.

Für einen so friedfertigen Burschen zelebriert Corbucci dann in seinen Filmen das damals mögliche Maximum an Gewalt. Er hat allerdings ohne Zweifel Recht, wenn er seinem Helden (und seinem Film) Humor unterstellt. Die ganze Atmosphäre des völlig verschlammten Westernkaffs ist dermaßen bizarr, dass sie bisweilen fast wie eine gelungene Parodie des expressionistischen Klassikers Das Cabinet des Dr. Caligari anmutet (zum Beispiel in der finalen Friedhofsszene). Dieser rigorose Stilwille und der Mut zum Experiment hebt bei aller Trivialität Django meilenweit über die zahllosen Nachahmer hinaus.

Abspann: Regie-Assistent Ruggero Deodato inszenierte später selbst Filme und schrieb Filmgeschichte mit dem wohl berüchtigsten aller italienischen Kannibalenfilme, Cannibal Holocaust (hierzulande auch bekannt unter dem lustigen Titel Nackt und zerfleischt). Eine ganz andere Richtung schlug Kameramann Enzo Barboni ein, der ebenfalls Regisseur wurde, sich fortan E. B. Clucher nannte und die Spaßwestern Die rechte und die linke Hand des Teufels sowie Vier Fäuste für ein Halleluja mit Terence Hill und Bud Spencer drehte. Komponist Luis Enríquez Bacalov erhielt drei Jahrzehnte später einen Oscar für seine Musik zum eher feinsinnigen Il Postino - Der Postmann. Ein eher kurzes Karrierehoch dagegen hatte Regisseur Sergio Corbucci selbst. Mit seinen gnadenlos auf den 68er Zeitgeist zugeschnittenen Western Leichen pflastern seinen Weg (mit Klaus Kinski) und Il Mercenario war er für kurze Zeit der absolute Liebling der linken Filmkritik, bevor sein Stern rapide sank. Später fiel er mit geistlosen Plotten wie Der Supertyp (1977) oder Der Supercop (1980) nur noch unangenehm auf.