100 Filme: Ninotschka (Ninotchka)

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Auf DVD: Ninotschka (Ninotchka)

Komödie, USA 1939, Regie: Ernst Lubitsch, Buch: Charles Brackett, Billy Wilder, Walter Reisch, mit Greta Garbo, Melvyn Douglas, Felix Bressart, Sig Rumann, Alexander Granach, Ina Claire, Bela Lugosi

Intro: In den frühen 1920er Jahren hatte der deutsche Film einen fast raketenhaften Aufstieg erlebt. Regisseure wie Fritz Lang oder Friedrich Wilhelm Murnau, aber auch etliche andere, wurden international gefeiert, und ihre Filme wurden stilbildend. Nicht wenige, darunter auch die genannten, folgten schon damals dem Ruf Hollywoods - Murnau freiwillig, Fritz Lang nicht ganz so freiwillig, als 1933 die Nazis das Ruder übernahmen.

Zu den wichtigsten deutschen Exporten zählte Ernst Lubitsch, der sich zunächst mit Historien- und Abenteuerdramen einen Namen gemacht hatte, etwa Die Augen der Mumie Ma (1918), Sumurun (1920) oder Anna Boleyn (1920). Sein wahres Talent war jedoch die Komödie. In Hollywood entwickelte er einen individuellen, fast unverwechselbaren Stil aus Eleganz, gekonnter Schlüpfrigkeit und Dialogwitz, der bald unter dem Namen Lubitsch Touch in die Filmgeschichte einging.

Lubitsch kam, anders als manch anderer Europäer, mit dem Hollywood-System schließlich blendend zurecht. Fast alle seine amerikanischen Filme sind sehenswert, und so fällt es nicht leicht, einen davon als repräsentativ für diese 100-Filme-Liste auszuwählen. Herausragend sind Ärger im Paradies (1932) oder Serenade zu dritt (1933) und natürlich das Anti-Nazi-Stück Sein oder Nichtsein (1942). Wenn irgendwo Lubitsch draufsteht, dann ist das so was wie ein Qualitätssiegel. Besondere Bedeutung erlangte er auch als der Mann, der (endlich!) den schwedischen Superstar Greta Garbo zum Lachen brachte, und deshalb fiel die Wahl am Ende auf Ninotschka.

Inhalt Drei sowjetische Botschafter sollen in Paris einige vom Politbüro konfiszierte Juwelen verhökern, zum Wohle der Arbeiter- und Bauernschaft natürlich. Allerdings entdecken die drei Genossen, dass es sich in Paris mit Wein, Weib und Gesang doch irgendwie ganz angenehem lebt. So werden in Moskau nicht unberechtigte Zweifel an ihrer Systemtreue wach.

Die gestrenge Kommissarin Ninotschka (Garbo) wird abkommandiert, um die Botschafter wieder auf Linie zu trimmen. Zunächst greift sie unerbittlich durch, dann aber lernt sie einen charmanten Grafen kennen, außerdem taucht die Besitzerin der beschlagnahmten Juwelen auf und meldet ihre Ansprüche an.

Filmhistorisch bedeutsam, weil: Nachdem Greta Garbo als leidende Diva in Melodramen wie Anna Karenina (1935) und Die Kameliendame (1937) große Verdienste für die Taschentuchindustrie erworben hatte, sollte zur Abwechslung kein schwermütiges Melodram mit tragischem Ausgang als Vehikel dienen. Ein Imagewechsel war langsam überfällig, und so kam Komödienmeister Ernst Lubitsch ins Spiel.

Die Rechnung ging auf. In ihrer ersten komischen Rolle zeigt die damals immerhin schon 34-jährige Schwedin, dass ihr in Sachen Timing und trockenem Witz kein Berufskomödiant noch etwas beibringen muss. Gerade die erste Hälfte spielt gekonnt mit Garbos überernstem Image, und ihre Szenen als bis auf die Knochen humorlose Kommunistin zählen zu den ewiggültigen Meisterstücken der Kinosatire.

Zu den Co-Autoren des Drehbuchs gehörte ein anderer bedeutender Europa-Flüchtling, Billy Wilder, der später selbst etliche Klassiker inszenierte. Die pointierten Dialoge und die skurrile Zeichnung der Nebenpersonen (siehe beispielsweise Dracula-Darsteller Bela Lugosi) entgehen der naheliegenden Gefahr, dass aus dem Stoff ein plumpes Propagandastück wurde. Zwar ist es nicht gerade unvorhersehbar, dass natürlich auch Ninotschka den Verlockungen des Kapitalismus freudig erliegt. Doch das wäre kein Lubitsch-Film, würde es nicht mit so viel Charme und Esprit serviert.

Die zweite Hälfte, zugegeben, hat nicht mehr ganz den Schwung, läuft in konventionelleren Bahnen der zeitgemäßen Screwball Comedy ab und bietet dann immerhin noch glattes Starkino auf hohem Niveau.

Abspann: Für Greta Garbo blieb Ninotschka leider der einzige erfolgreiche Ausflug ins die Komödie. Nach dem wenig gelungenen Die Frau mit den zwei Gesichtern (1941) warf sie überraschend die Brocken hin, zog sich für immer aus dem Filmgeschäft zurück und verbrachte den Rest ihres Lebens in strenger Zurückgezogenheit.

Anders als Fritz Lang kehrte Ernst Lubitsch nach dem Krieg nicht mehr nach Deutschland zurück. Er starb bereits 1947 im Alter von nur 55 Jahren.