100 Filme: Requiem for a Dream

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Auf DVD: Requiem for a Dream

Drama, USA 2000, Regie: Darren Aronofsky, Musik: Clint Mansell, gespielt vom Kronos Quartett, mit Jared Leto, Jennifer Connelly, Marlon Wayans, Ellen Burstyn, Christopher McDonald

Inhalt: Die ältliche Sarah Goldfarb schaut sich gern stupide Spielshows an. Eines Tages erhält sie Post, dass sie als Kandidatin eingeladen werden soll. Um für den Auftritt möglichst schick auszusehen, stürzt sie sich sogleich in eine strenge Diät, um vermeintliches Übergewicht abzuhungern. Mit der Zeit steigert sich ihr Magerwahn zur Besessenheit. Sie hilft mit Pillen nach, leidet bald unter bizarren Halluzinationen und verfällt zum geistigen Wrack. Parallel dazu entwickelt ihr erwachsener Sohn Harry eine Vorliebe für Heroin. Auch seine Freundin Marion und sein Kumpel Tyrone hängen an der Nadel. Als es zum einem Lieferengpass für den Stoff kommt, machen sich Entzug und Verzweiflung breit …

Filmhistorisch bedeutsam, weil: Filme über Drogenmissbrauch gibt es reichlich. Über Alkohol, Heroin, Koks und - im Falle des unsterblichen Trash-Klassikers Reefer Madness (1936) - sogar über die verheerenden Folgen von Marihuana (Schockschwerenot!). Nur wenige Filme indes weisen bei der Darstellung der Sucht über den rein stofflichen Aspekt hinaus, heißt: Sucht kann sich auch ganz anders entwickeln.

Sicher, auch die Mutter ruiniert sich am Ende das Hirn mit Tabletten, aber auf ihre Weise süchtig war sie schon vorher: zuerst nach stumpfsinnigen TV-Shows, später folgt die lebensgefährliche Magersucht. Die Tabletten sind nur die logische nächste Konsequenz.

Regisseur Aronofsky, vorher mit seinem originellen Mathematiker-Psychothriller Pi schon angenehm aufgefallen, inszeniert diesen Abstieg in die Suchthölle nicht als drögen Problemfilm mit erhobenem Zeigefinger. Er lässt es zunächst ganz gemächlich angehen, zeigt Mutti Goldfarb bei ihrem zunächst noch harmlosen TV-Konsum, ihren Sohn bei ausgelassenen Fêten, die durch den kleinen Schuss Heroin noch den letzten Kick bekommen. Mit allerlei visuellen Tricks vermittelt Aronofsky dabei veränderte Zeitwahrnehmung und andere Wirkungen der Drogen, etwa wenn der Kühlschrank der hungernden Mutti zum Monster mutiert.

Mit zunehmender Laufzeit verdüstert sich der Film, und Aronofksy lässt seine Anti-Helden zielstrebig und mitleidlos gen Abgrund steuern. Dabei ist er von äußerster Konsequenz: Für seine vier Hauptfiguren kann und wird es keine Rettung geben, und ihre Schicksale erfüllen sich in einer virtuosen Parallelmontage mit zum Teil drastischen Bildern. Den Zuschauer lässt das nicht gerade in heiterer Stimmung zurück; ein Feelgood-Movie sieht jedenfalls anders aus (und für hinterher sollte man sich vorsichtshalber nichts mehr vornehmen).

Beachtlich sind auch die Darstellerleistungen. Ellen Burstyn war für einen Oscar nominiert, aber auch der sonst für unerträglichen Blödel-Quatsch bekannte Marlon Wayans (White Chicks) überzeugt hier in einer dramatischen Rolle.

Hubert Selbys Romanvorlage (Titel: Last Exit to Brooklyn) stammt indes aus den 60er Jahren, was an der Umsetzung insoweit nicht spurlos vorübergegangen ist, als die Elektroschockbehandlung der durchgeknallten Mutti am Ende ein echter Anachronismus ist. Da aber die zeitliche Verlegung eines Stoffes immer mit einer Explosion der Produktionskosten verbunden ist, sei das diesem Low Budget Movie einfach mal verziehen.

Wie bei vielen herausragenden Filmen trägt auch hier der brillante Soundtrack von Clint Mansell zur Wirkung einiges bei. Einer der Amazon-Rezensenten schrieb dagegen enttäuscht:

Für den Walkman auf der Heimfahrt von der Arbeit taugt das gar nicht!
Was mir viel besser gefallen hat: Der Soundtrack zu Fluch der Karibik und auch der zu Titanic.

Ja, das ist natürlich nur zu wahr: Wer farbenfrohe Karibik-Klänge erwartet und Musik ausschließlich nach der Tauglichkeit für die U-Bahn beurteilt, soll bitte einen weiten Bogen darum machen.