Ein Märchen nach Wunsch

Peter war 10 Jahre alt, als er seinen Großvater zum erstenmal sah. In den Ferien durfte er aufs Land fahren. Der Großvater hatte einen Häuschen mit einem großen Garten. 'Fein' sagte Peter, 'hier bin ich. 'Da ich heuer in der Schule der Beste war, darf ich meine Ferien bei Dir verbringen.'

'Bravo!' sagte der Großvater. 'Ich freue mich, Dich einmal persönlich kennenzulernen.'

Und Großvater zeigte Peter seinen Garten: Die Hecke im Norden, die Blumenbeete im Süden und den Gemüsegarten. 'Hier baue ich Gurken, Salat, Bohnen und Ranunkeln an.' sagte der Großvater. 'Was sind denn Ranunkeln?' wollte Peter neugierig wissen, denn er hatte noch nie von diesem Gemüse gehört. Aber der Großvater konnte oder wollte ihm diese Frage nicht beantworten. 'Du mußt warten, bis sie reif sind', sagte er, 'dann wirst du schon sehen.'

Einige Wochen vergingen; Peter freundete sich mit den Tieren im Garten an. Mit Berta, der Schildkröte, mit dem alten Esel, der keinen Namen hatte, und auch mit Joseph, Großvaters Hund.

Eines Tages, als er gerade Berta mit einem Salatblatt lockte, stand ein Mädchen neben ihm. Er konnte nicht sagen, woher es so plötzlich gekommen war. 'Hallo Peter', sagte es, 'so wirst du Berta nicht aus ihrem Versteck locken'. Sie ist satt und interessiert sich nicht im geringsten für Dein Salatblatt. Dummer Bub!' 'Pah', erwiderte Peter erbost, 'du eingebildetes Mädchen! Mach' es doch besser, wenn Du kannst'. Und in seinem Ärger erhob er sich und lief zum Großvater ins Haus.

'Großvater!' rief er, 'da ist ein fremdes Mädchen im Garten.' 'Ach!' sagte der Großvater erfreut. Und er ging hinaus in den Garten. Peter blieb verärgert im Haus.

Aber Peter war natürlich auch neugierig. Er schaute durchs Wohnzimmerfenster, um zu sehen, was Opa und das kleine Mädchen wohl machten. Zu seinem grenzenlosen Erstaunen sah er, wie Opa mit einem strahlenden Lächeln auf das Mädchen zuging und schließlich sogar vor ihm auf die Knie fiel und ihre Hand küßte. Peter wußte weder aus noch ein. Opa kannte das Mädchen, das war klar. Aber woher? Er sah, wie Opa und das Mädchen einige Worte wechselten und lachten.

Dann blickte Opa zum Haus hinüber, und obwohl Peter versuchte, schnell vom Fenster zu verschwinden, hatte Opa ihn bereits erblickt. Er rief: ‘Peter, komm doch mal heraus!’

Peter zog unwillig die Stirn kraus. Er hatte natürlich nicht die geringste Lust, hinauszugehen und sich von dem fremden Mädchen wieder anmaulen zu lassen. Aber Opa winkte und rief noch einmal. Und da er sich mit dem Mädchen offenbar gut zu verstehen schien, dachte Peter, konnte es ja so schlimm nicht sein. Und er ging hinaus in den Garten.

Zögernd ging er auf die beiden zu, die ihn schon erwarteten. Opa sagte: ‘Ich möchte dir die Prinzessin meines Gartens vorstellen! Das ist Shira, meine Garten-prinzessin!’

Peter schaute ihn ungläubig an. Opa lächelte ganz stolz, und Shira sagte: ‘Es stimmt, ich bin die Gartenprinzessin!’ Peter sagte unbeholfen: ‘Hallo!’ Opa und das Mädchen schauten sich an und grinsten. Nun, sie würden dem Bub noch beibringen, wie man sich einer Prinzessin gegenüber zu verhalten hatte! Zu Opa sagte Peter: ‘Ich wußte gar nicht, daß du eine eigene Gartenprinzessin hast!’ Shira erwiderte: ‘Nur besonders schöne Gärten haben eigene Prinzessinnen, die dort wohnen.’

Jetzt wußte Peter auch, warum das Mädchen so plötzlich aufgetaucht war, sozusagen aus dem Nichts. Prinzessinnen hatten wohl diese Gabe, aus dem Nichts aufzutauchen und ins Nichts wieder zu verschwinden. Er sammelte nun seinen ganzen Mut und fragte Shira: ‘Wenn du eine Prinzessin bist, dann muß es doch einen König und eine Königin geben!’

Shira schaute etwas traurig drein. ‘Mein Vater ist schon lange tot. Und meine Mutter, die Königin...’ Sie schaute Opa fragend an, und der nickte. ‘Ja, erzähl es ihm ruhig. Vielleicht kann er dir ja helfen. Er wird jetzt ein paar Wochen bei mir wohnen.’ Und Shira erzählte: ‘Ok, also meine Mutter, die Gartenkönigin, ist vor einiger Zeit von der kleinen Gartenhexe in ein Tier verwandelt worden!’

Peter starrte die kleine Prinzessin mit offenem Mund an. ‘Oh! Aber warum denn?’ ‘Meine Mutter hat behauptet, daß die Zauberkräfte der Hexe ihr nichts anhaben könnten. Meine Mutter kann nämlich selbst ein bißchen zaubern und hat geglaubt, sie sei immun gegen andere Zaubereien. Aber so war es leider nicht. Die Garten-hexe hat sich so darüber geärgert, daß sie böse wurde und schwups - schon hatte sie meine arme Mutter verwandelt!’

Shira brach in Tränen aus. Opa und Peter legten tröstend die Arme um sie. Peter war neugierig und wollte wissen, in welches Tier die böse Hexe die arme Königin verwandelt hatte. ‘In eine Schildkröte!’ schluchzte Shira.

‘In Berta?’ staunte Peter. ‘Die Schildkröte Berta ist in Wirklichkeit die Garten-königin?’ Es war kaum zu glauben. Kein Wunder, daß sich Shira eingemischt hatte, als er, Peter, die Schildkröte locken wollte. Opa meinte: ‘Du mußt ihr helfen, Peter! Du mußt ihr helfen, Berta wieder in die Königin zurück zu verwandeln!’ ‘Aber wie?’ fragte Peter.

Shira hatte sich wieder etwas beruhigt. ‘Zuerst müssen wir die kleine Gartenhexe finden. Ohne sie können wir gar nichts machen. Leider weiß man nie, in welcher Gestalt sie sich gerade befindet. Vielleicht ist sie die Amsel dort oben oder das Eichhörnchen, das am Baum hochklettert oder vielleicht sogar die Rose dort. Und das ist das Problem!’

Shira schaute Peter an, als ob sie erwartete, daß er sofort eine Lösung wüßte.


Und jetzt?

Fortsetzung der Geschichte


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Das Märchen nach Wunsch entstand an einem verregneten Samstagnachmittag im Juni 96.
Es wurde lediglich behutsam an Unicode, HTML5 und den strict-Modus von perl angepaßt.