Held in Deutschland

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Am 19. Dezember ermordete ein 24-jähriger polizeibekannter und vorbestrafter tunesischer Berufskrimineller (politisch korrekt: Intensivtäter) den polnischen LKW-Fahrer Łukasz Urban, entwendete dessen LKW und verübte damit einen Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt, bei dem 11 Menschen starben und 56 verletzt wurden. Vier Tage später wurde der Attentäter in der Nähe von Mailand bei einem Feuergefecht mit der Polizei erschossen.

Das Ergebnis des Anschlags (wir brauchen es später zum Vergleich) schaut so aus:

  Zahl Wer Verursacher
1 LKW-Fahrer Attentäter
11 Weihnachtsmarkt-Besucher
56
1 Attentäter Polizei

Die Tat wurde durch das Versagen von Sicherheitsbehörden und Verwaltung begünstigt, Wikipedia dokumentiert die gruseligen Details. Verwaltung und Politik sehen dies naturgemäß anders: Behördenchef Frank-Jürgen Weise kann keine Fehler des BAMF erkennen, Innenminister Thomas de Maizière wehrt sich gegen vorschnelle Schuldzuweisungen und Urteile von selbsternannten Experten. (Wichtiger Hinweis: der promovierte Jurist Thomas de Maizière ist Sicherheitsexperte nicht durch Selbsternennung, sondern qua seines Amtes.)

Ein Wort zu Frau Merkel: sie spricht nicht für mich, wenn sie höhnt: Ich weiß, dass es für uns alle besonders schwer zu ertragen wäre, wenn sich bestätigen würde, dass ein Mensch diese Tat begangen hat, der in Deutschland um Schutz und Asyl gebeten hat. Nein, Frau Merkel, nicht das ist für mich schwer zu ertragen. Schwer zu ertragen ist, dass dieser Täter unter Verstoß gegen deutsches und europäisches Recht von einer Frau ins Land gelassen wurde, die diesen Eid geleistet hat:

Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.

Doch darum geht es mir gar nicht. Mir geht es um den ermordeten Fahrer des LKW.

Łukasz Urban

Weder Bundespräsident noch Kanzlerin noch der deutsche Botschafter in Polen finden den Mut, an der Beisetzung teilzunehmen. Ich kann das verstehen, denn Łukasz Urban ist nach über 70 Jahren der erste polnische Staatsbürger, der wieder in Folge des Größenwahns einer politischen Führung in Berlin zu Tode gekommen ist.

Der britische LKW-Fahrer Dave Duncan denkt an die Familie des Opfers, die nicht nur Ehemann und Vater, sondern damit auch den Ernährer verloren hat, und startet am 20. Dezember einen Spendenaufruf bei GoFundMe für die Frau und den 17-jährigen Sohn von Łukasz Urban:

Ich habe als ein Trucker-Kollege entschieden, mich an die Gemeinschaft der Trucker und darüber hinaus zu wenden, um irgendwie ein wenig zu helfen.

(Nachtrag: Bis Mitte Januar kommen so fast 200.000 englische Pfund (ungefähr 225.000€) zusammen.)

Deutsche Unterstützer geben sich nicht mit solchen Banalitäten wie Geld ab. Ihnen steht der Sinn nach Höherem:

Mehrere Twitter-Nutzer schlagen Urban bereits für das deutsche Bundesverdienstkreuz vor, sollte sich tatsächlich herausstellen, dass er Schlimmeres verhindert habe.
Hessische Niedersächsische Allgemeine

Ja, petieren ist bequem, risikolos — und es kostet nichts:

Bundesverdienstkreuz für polnischen LkW-Fahrer Lukasz Urban

Lukasz Urban hieß der Lastwagenfahrer, der am Montag, den 19. Dezember auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin sein Leben beim Versuch ließ, einen Terroristen vom Schlimmsten abzuhalten. Aktuellen Berichten zufolge zeigt die Obduktion, dass er mit dem Täter gerungen hat und von diesem schwer verletzt und schließlich getötet wurde. Mit diesem heldenhaften Handeln hat er vermutlich viele Menschenleben gerettet und ein großes Zeichen gesetzt für die Freundschaft und Aussöhnung zwischen unserem Land und Polen – dem unsere Vorfahren Furchtbares angetan haben. Alle Deutsche, nicht nur die Berliner, haben Grund, seiner zu gedenken, und seinen Hinterbliebenen (seiner Frau und seinem Sohn) zu danken. Für diese Tapferkeit verdient er Deutschlands höchsten Orden.

Interessant: die angestrebte Verleihung wird begründet mit dem Erfolg, der Rettung von Menschen; der Fahrer wird nicht durch seine Tat zum Helden, sondern durch das Ergebnis.

Und so wundert sich die Bildzeitung:

Die Obduktion ergab aber nach Angaben der Generalbundesanwaltschaft, dass Anis Amri bereits früher auf ihn geschossen hat. Der Lkw kam nur deshalb nach 70 bis 80 Metern zum Stehen, weil die Zugmaschine mit einer Bremsautomatik ausgerüstet war.

Unabhängig von den neuen Details bleibt Lukasz Urban für viele Polen ein Held.

Und eine Bloggerin kommentiert:

Seit heute wissen wir, dass Lukasz Urban nicht, wie von den Untersuchungsbehörden mitgeteilt worden war, das Steuer des Lenkrads weglenkte, sondern dass er wohl schon Stunden vorher von seinem Mörder in den Kopf geschossen wurde. Er ist also kein Held, sondern ein weiteres Opfer, wie jeder von uns es hätte werden können.

Die deutsche Wikipedia äußert sich zu diesem Thema ähnlich widerwärtig.

Hilfreicher ist — wie so oft — die englische Wikipedia:

A hero or heroine is a person […] who, in in the face of danger, combats adversity through impressive feats of ingenuity, bravery or strength, often sacrificing his or her own personal concerns for some greater good.

Ein Held oder eine Heldin ist eine Person […], die im Angesicht einer Gefahr Widrigkeiten durch beeindruckende Findigkeit, Tapferkeit oder Stärke bekämpft und oftmals ihre eigenen persönlichen Belange für ein höheres Gut opfert.

Ich weiß nicht, was in dieser fraglichen Nacht passiert ist. Nach den Untersuchungsergebnissen (und wie ich Fernfahrer kenne) hat der Fahrer seinen LKW nicht einfach herausgegeben, sondern verteidigt, anders als es die Polizei empfiehlt (Leisten Sie keine Gegenwehr, greifen Sie den Täter nicht an.). Er hat, wenn auch leider ohne Erfolg, im Angesicht einer Gefahr eine Widrigkeit tapfer bekämpft und dabei persönliche Belange zurückgestellt.

Wer der tapferen Petenten und kritischen Blogger könnte das von sich behaupten?

Aber nehmen wir einmal an, er hätte Erfolg gehabt…

Alternatives Szenario

Ein Berufskrimineller will bewaffnet einen LKW stehlen. Der Fahrer des LKW entwindet dem Angreifer die Waffe, dabei löst sich ein Schuss und tötet den Angreifer. Dies verhindert das Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt, mit folgendem Resultat:

Resultat bei vorzeitigem Tod des Angreifers
  Zahl Wer Verursacher
1 LKW-Fahrer
11 Weihnachtsmarkt-Besucher
56
1 Attentäter LKW-Fahrer

Das wäre ein wahrer Held gewesen!

Doch halt, die Darstellung täuscht. Wir dürfen nicht vom jetzigen Wissensstand ausgehen (ex post), sondern vom Zustand vor dem Anschlag (ex ante). Und darin wissen die 67 nicht verletzten oder getöteten Besucher des Weihnachtsmarktes nichts von ihrem Glück. Für diese (und alle anderen) sieht die Bilanz deshalb so aus:

Darstellung in den Medien
  Zahl Wer Verursacher
1 Tunesischer Schutzsuchender LKW-Fahrer
(männlich, weiß, hetero, lebt
ein überholtes Familienmodell)

Wer der mutigen Petenten hätte auch diesen Fahrer für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen?
Wäre er nicht eher als rassistischer Gewalttäter gebrandmarkt und wegen Notwehrexzess verurteilt worden?

Résumé:

  1. Auch Helden werden in Deutschland nach Leistung beurteilt;
  2. Ein Held sollte nicht zu erfolgreich sein;
  3. Wo bleibt die Petition zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an die Entwickler der Bremsautomatik?