Das Scheitern der Demoskopen

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Donald Trump hat die Wahl zum Präsidenten der USA gewonnen, anders als von fast allen vorhergesagt. Warum sind die Vorhersager so massiv gescheitert?

1. Analyse durch die Qualitätsmedien

Die Qualitätsmedien™ sind bei der Beantwortung dieser Frage wenig hilfreich. Sie kannten den einzig zulässigen Ausgang der Wahl (Clinton wäre eigentlich viel besser für den Job im Weißen Haus qualifizierttagesschau.de), und wäre es nach ihnen gegangen, wozu überhaupt eine Wahl? Die Bürger der USA haben falsch gewählt, und das betrachten die Qualitätsmedien als persönliche Beleidigung. Darunter leiden die Analysen:

Vielleicht lässt sich ja noch was machen?
Oder es geht schnell vorüber?
Sie trauern:
Sie haben Angst:
Man erwartet (oder wünscht?) das Ende der USA:

Die Medien wurden von den Wählern in den USA bitter enttäuscht und würden diese gerne für den Frevel das Falschwählens bestraft sehen. Nach der massiven Ego-Verletzung sein ihnen dieser Wunsch gegönnt. Mit erschließt sich aber nicht, warum man nach einer massiven Fehlprognose sogleich die nächste abgibt?
Strebt ihr nach Lückenpresse, Lügenpresse und Lumpenpresse auch noch die Deppenpresse an? Oder lasst ihr immer noch Praktikanten an den Publish-Knopf?

Der Spiegel erwartet sogar das Armageddon:

Kann damit aber nicht alle überzeugen:

Sie beschimpfen den Gewählten:
Sie analysieren und erkennen die Ursache: Rechtspopulismus
Sie analysieren und erkennen die Ursache: böse dumme alte weiße Männer

Böse dumme alte weiße Männer sind außerdem verantwortlich für Haarspliss, Gefrierbrand und Zahnhalskaries. Sowie für Plattentektonik, Quantenfluktuationen und Sonnenflecken. Ok, das passte jetzt nicht wirklich zum Thema, aber es musste einfach mal wieder mal gesagt werden.

Und sie zelebrieren immer noch ihre Wichtigkeit:
  • Amerikas Abwendung von der WeltBerthold Kohler, Herausgeber der FAZ

    wählten einen „Hassprediger“ zu ihrem Präsidenten
    die Mehrheit der Amerikaner scherte sich nicht um die Warnungen aus Europa und die Empfehlungen aus Hollywood
    Schicht, die sich als Verlierer der Globalisierung sieht. Sie wird von der Sehnsucht nach einer guten alten Zeit getrieben
    vom Glauben an den Nutzen der europäischen Einigung abfallen
    Demagogen, Lügner und Narzisse

    Die amerikanischen Wähler sollen sich nach Empfehlungen aus Hollywood richten?

    Das schreibt nicht ein Praktikant, sondern der Herausgeber eines Qualitäts-Presse-Erzeugnis.
    Dazu fällt mir nichts mehr ein.

Irgend eine Spur von echter Analyse und Selbstkritik? Fehlanzeige. Ich bin auf die nächste Wahl gespannt.

Bis dahin gilt: aber denk dran, je tiefer Du fällst ….

2. Kluge Analysen:

Klügere Menschen haben kluge und umfangreiche Analysen erstellt:

  • And the next president is Donald TrumpBettina Röhl
    Je schneller sich die deutsche Politik den Sachfragen stellt, desto eher wird sie in der Lage sein ihren Teil einen fruchtbaren Dialog mit der neuen amerikanischen Regierung gestaltend aufzunehmen.
  • Das Sieg-Rezept von Donald TrumpDushan Wegner bei Tichys Einblick
    Hillary Clinton beherrschte die Medien. Donald Trump sprach darüber, was die Menschen bewegt, was ihnen wichtig ist. Die Wählerverachtung hat Clinton geschadet, und die Wähler Trump zugetrieben.
  • Das letzte Aufbäumen der sogenannten MeinungsführerBen Krischke auf der Achse des Guten
    Eigentlich müsste die drängendste Frage in den deutschen Medien aktuell lauten, wie es nach der Wahl Donald Trumps weitergeht. Doch die drängendsten Fragen in den Redaktionsstuben lauten aktuell: Wer hat Schuld an diesem Fiasko?
  • Die Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten kommt nicht überraschendAutor nicht verfügbar
    Diese Leute haben keine Berührung mehr mit der Bevölkerung außerhalb ihrer Redaktionsräume, Interessenverbände und pseudo-elitärer Zirkel.
  • Die Schein-Heiligen und das Klima der AngstKlaus-Jürgen Gadamer bei Tichys Einblick
    Praktisch alle Wahlprognosen lagen falsch. Die Wähler standen nicht zu ihrer Meinung – wie in Großbritannien zum Brexit.
  • Die weiße RevolutionStefan Tomik in der FAZ
    Weiße Amerikaner ohne Hochschulabschluss verschafften Donald Trump einen riesigen Vorsprung. Schwarze, Latinos und Frauen unterstützten Hillary Clinton nicht so wie erhofft. Eine Wahlanalyse.
  • Ein Beruf schafft sich ab — Markus Somm in der Basler Zeitung
    Selten haben sie, die Deuter und Meinungsmacher der Welt, die Medien, eine solche Niederlage erlitten wie die Wahl von Donald J. Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten, dem Mann, der sich von Beginn weg weigerte, die Medien zu fürchten.
  • Erzmeldung zu Donald TrumpJonathan Meese
    Wenn ich demokratisch wählen gehe, muss ich doch das Ergebnis akzeptieren. […] Nur jetzt kommen die Intellektuellen und die Künstler und sagen: Oh! Was ist passiert? Das Schimmste ist angeblich an die Macht gewählt worden.
  • Good Night MedienSebastian Amtrak bei Tichys Einblick
    Die Präsidentenwahl 2016 wird als Lehrstück in die Geschichte eingehen, wie sehr Medien auf Neutralität und Objektivität pfeifen und sich gemein machen mit entrückten Traumtänzern, die der öffentlichen Meinung ihren, und nur ihren, Stempel aufdrücken wollen.
  • In Amerika haben mit Clinton auch Medien und Meinungsforscher verlorenHugo Müller-Vogg bei Tichys Einblick
    Verloren haben nicht nur die Democratic Party und ihre Kandidatin, sondern auch die Meinungsforscher, die bis zuletzt den Sieg Clintons vorhersagten, und die Medien, die im Vertrauen auf die Demoskopen die ehemalige First Lady voreilig zur Siegerin erklärten.
  • Make Wahlforscher arbeitslos againRoger Letsch, Institut für Meinungsforschung und politischen Exorzismus
    Der 9. November 2016 sollte als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem sich alle Wahlforscher und Prognosenschreiber mit samt ihren Umfrageergebnissen aus den Fenstern stürzten – falls sie in der Lage sind, die Fallhöhe richtig einzuschätzen.
  • Trump von Dummen gewählt? Die ARD manipuliert schon wiederSciencefiles.org
    Und wieder sehen wir das Problem, das sich mit einem allgemeinen und gleichen Wahlrecht in freien Ländern verbindet: Es kann genutzt werden.

3. Meine Analyse

Meine Analyse ist nicht so klug und auch nicht so umfangreich:

  1. Bei einer Wahl gibt es die Optionen A und B;
  2. Im Vorfeld prügelt man auf alle ein, die sagen, dass sie die Option B bevorzugen;
  3. Bei einer Umfrage sagt nur eine kleine Minderheit, dass sie für B stimmen wird;
  4. Bei der (geheimen) Wahl stimmt die Mehrheit für B;
  5. Die Demoskopen wundern sich über die Diskrepanz zwischen Punkt 3 und Punkt 4 (sie wissen von Punkt 2);
  6. Ich wundere mich über Punkt 5.

4. Die beste Analyse

Die beste Analyse, kurz und knackig, liefert Sandra Lauer. Sie erklärt so präzise wie unterhaltsam das Scheitern der Demoskopen. Bei rechtzeitiger Beachtung hätten diese — wie auch die Qualitätsmedien™ und viele Intellektuelle — die Blamage vermeiden können.

Leider ist der Vortrag nur englisch verfügbar, mit Hilfe der unterlegten Textbeschreibung sollte er aber auch für Herrn Öttinger verständlich sein.

Das Video dauert 5 Minuten und 20 Sekunden. Für Menschen mit sehr wenig Zeit: der eigentliche Vortrag beginnt bei 0:47 und endet bei 3:23, die Kernthese wird ab 1:45 vorgestellt und bei 3:00 wiederholt.

Die Bedeutung des Schweigens