Wir basteln einen Gender-Pay-Gap

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Vor ein paar Tagen berichtete Hadmut Danisch, wie Diskriminierungen behauptet und vorgerechnet werden, wo keine sind, und dass dazu ein bekannter Effekt aus der Statistik, das Simpson-Paradoxon, genutzt wird.

Vorgestern vermeldet der Tagesspiegel: Gehälter in der Start-up-Szene: Frauen verdienen 25 Prozent weniger als Männer.

Nun soll man keine Bösartigkeit unterstellen, wenn Dummheit oder Unwissen zur Erklärung eines Verhaltens reicht. Und der Unwissenheit lässt sich abhelfen, zum Beispiel mit einer kleinen JavaScript-Applikation, die den Simpson-Effekt vorführt. Denn eine Tabelle sagt mehr als hundert Worte.

Tabelle

Zuerst einmal: Keine Panik! Die Tabelle ist einfacher zu verstehen, als es zuerst ausschaut.

Wir haben zwei Zeilen für zwei Berufe: Grundschullehrer und Gymnasiallehrer. Die Berufe sind unterschiedlich bezahlt, die Gehälter stehen in den roten Kästen und sind änderbar.

Es gibt zwei Gruppen von Berufstätigen, Frauen und Männer. Sie werden in zwei farbigen Spalten dargestellt, pink die Frauen und hellblau die Männer. Es üben jeweils 50 Frauen und 50 Männer den jeweiligen Beruf aus. Diese Werte steht in der Spalte Zahl im blauen Kasten und sind änderbar.

Ich habe glatte Zahlen gewählt, damit Sie die Berechnung einfach nachvollziehen können. Sie dürfen natürlich echte Zahlenwerte in die roten und blauen Kästen eintragen, alle übrigen Werte werden daraus berechnet.

Berechnung:

Aus dem Gehalt im roten Kasten und der Zahl der Beschäftigten im blauen Kasten berechnet das Formular das Gesamtgehalt der Gruppe in der Spalte Gesamt. Das Gesamtgehalt geteilt durch die Zahl der Beschäftigten ergibt das durchschnittliche Gehalt in der Spalte Schnitt.

Die Spalte Schnitt mag überflüssig erscheinen, weil sie mit dem Einzelgehalt im roten Kasten übereinstimmt; dies gilt aber nicht mehr unbedingt für die Zeile Lehrer gesamt.

Lehrer gesamt:

Diese Zeile saldiert die Felder Zahl und Gesamt der Zeilen darüber, enthält also die Zahl der Lehrerinnen bzw. männlichen Lehrer für beide Berufe zusammen sowie die beiden Gehaltssummen.

Aus den Gehaltssummen und Zahl berechnen wir das jeweilige durchschnittliche Gehalt; das ist der für uns wichtige Wert, er ist deshalb grau eingerahmt und auf weißem Hintergrund dargestellt.

Ich versichere, dass ich ohne Tricks genau so rechne wie oben beschrieben, empfehle aber dennoch, die Tabelle einmal nachzurechnen, auch und besonders nach den unten durchgeführten Veränderungen der Zahlen in den blauen und roten Kästen.

Im Ausgangszustand ist das Geschlechterverhältnis in Grundschule und Gymnasium ausgeglichen, und das durchschnittliche Gehalt beträgt für Männer und Frauen 1500. Doch was passiert, wenn wir an der Grundschule 30 Männer entlassen und dafür 30 Frauen einstellen? Drücken Sie die linke 80% Frauen-Taste…

Grundschul­lehrer: Gymnasial­lehrer: Gehälter:

Die Zahl der beschäftigten Frauen erhöht sich von 100 auf 130 und deren Gehaltssumme steigt von 150000 auf 180000 (während sich Zahl und Gehaltssumme der Männer entsprechend reduzieren).

Ein Grund zum Jubeln! (glückliches weibliches Smiley)

Doch gleichzeitig ist das durchschnittliche Gehalt der Frauen von 1500 auf 1384 gefallen, das der Männer dagegen von 1500 auf 1714 gestiegen. Wir haben also durch das zusätzliche Einstellen von Frauen einen Gender-Pay-Gap von über 19% (letzte Zeile der Tabelle) erzeugt.

Skandal! Diskriminierung! Sexismus! Aufschrei!

Doch da ist keine Diskriminierung: Männer und Frauen werden für die gleiche Funktion weiterhin gleich bezahlt (es gibt nur ein Eingabefeld für das Gehalt je Funktion). Der Unterschied im Durchschnittsgehalt entsteht dadurch, dass:

  1. die Funktionen unterschiedlich bezahlt werden; und
  2. das Zahlenverhältnis der Geschlechter in den Funktionen unterschiedlich ist:
    nach den Neueinstellungen arbeiten relativ mehr Frauen in der schlechter bezahlten Funktion.

Dieser auf den ersten Blick überraschende Effekt ist seit über hundert Jahren bekannt und wird Simpson-Paradoxon genannt.

Die Ungleichheit der Durchschnittsverdienste verschwindet nur dann, wenn eine der beiden Voraussetzungen entfällt. Man kann also:

  1. unterschiedliche Funktionen gleich bezahlen; oder
  2. in allen Funktionen das gleiche Geschlechterverhältnis herstellen; oder
  3. einsehen, dass der Wert Durchschnittsgehalt über Funktionen hinweg sinnfrei ist und dessen Nutzung vermeiden.

Sie können mit der Tabelle herumspielen, um Ihre Strategie zur Vermeidung des Pay-Gap zu erproben, mit der Button-Reihe unterhalb, aber auch durch direkte Eingabe in die rot und blau umrandeten Felder. Viel Spaß dabei!

Zu den Gehältern in der Start-up-Szene:

Der Gender-Pay-Gap bei den Berliner Start-ups kommt wahrscheinlich hauptsächlich dadurch zustande, dass:

  1. Programmierer besser bezahlt werden als die übrigen Jobs; und
  2. unter den Programmierern relativ mehr Männer sind als bei den übrigen Jobs.

Die möglichen Lösungen für das (nicht existierende) Problem sind damit:

  1. Gehälter angleichen (Gleichstellung™ der verschiedenen Funktionen). Mit den Möglichkeiten:
    • die Programmierer schlechter bezahlen:
      Ergebnis: diese suchen sich Jobs bei anderen Firmen. Sie können es, da Mangelresource. Scheiß Marktwirtschaft aber auch!
    • die "einfachen" Arbeiten besser bezahlen:
      Ergebnis: die Kosten des Unternehmens steigen und die Wettbewerbsfähigkeit sinkt, möglicherweise stirbt es.
  2. Zahlenverhältnis der Geschlechter angleichen. Mit den Möglichkeiten:
    • mehr Frauen als Programmierer einstellen:
      Hier sind die Mädels gefragt: stürmt die MINT-Studiengänge! Denn wo keine Bewerberinnen, da auch keine Einstellungen.
      Doch schaue ich mir die Liste der Speakerinnen der preisgekrönten Digital-Media-Women an (nur ein Beispiel von vielen) mit Focus auf deren Themen, so hab ich wenig Hoffnung.
    • bei den "einfachen" Jobs Frauen kündigen und Männer einstellen:
      Hihi, den Shitstorm wegen Sexismus möchte ich erleben!
  3. feststellen, dass das Problem nicht existiert. Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.

Alle Maßnahmen lassen sich mit obiger Tabelle durchspielen.


Anmerkung zur Bezahlung von Lehrern:

Im Bereich Bildung korreliert der Return-of-Invest negativ mit dem Alter der Schüler: je jünger die Schüler, umso mehr lohnt der Unterricht. Daher sollten die besten Pädagogen nach einer bestmöglichen Ausbildung in die Grundschulen, und dazu muss man sie auch bestens bezahlen.

So gesehen ist meine Beispieltabelle schlecht gewählt; das hat aber keine Auswirkung auf die Berechnung, ich hätte genau so gut — sagen wir mal — Programmierer und Designer nehmen können. Die Grundschullehrer und Gymnasiallehrer in der Tabelle habe ich aus dem Beitrag von Hadmut Danisch übernommen, um mich nicht zu weit von seinem Beitrag zu entfernen.


Anleitung zum Selbermachen:

Ich möchte das Wissen über den Simpson-Effekt weiter verbreiten und stelle dazu das JavaScript, Stylesheet und die Beispielseiten unter eine CC-BY-SA-Lizenz, damit sie auf weiteren Webseiten eingebunden werden.

Laden sie die ZIP-Datei mit HTML-Seiten, Skript und Stylesheet herunter, packen Sie diese aus und öffnen Sie eine der "*.htm"-Dateien mit ihrem Browser.

Passen sie eine der Seiten an Ihre Wünsche an:

  • andere und auch mehr als zwei Gruppen,
  • andere und auch mehr als zwei Funktionen,
  • andere Limits für Zahl und Betrag.

Sie können auch eine weitere Summenspalte erzeugen (withRowSum:true) oder die Spalten anders anordnen (groupFirst:false).

Wenn Sie die Simpson-Demo auf Ihrer Seite einsetzen, besonders mit anderen Funktionen und/oder Gruppen, sagen Sie mir bitte kurz Bescheid, dann kann ich ihre Seite hier verlinken.