100 Filme: Der Untertan

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Auf DVD: Der Untertan

Satire, DDR 1951, Regie: Wolfgang Staudte, mit Werner Peters, Paul Esser, Sabine Thalbach, Renate Fischer

Inhalt: Deutschland kurz vor dem Ersten Weltkrieg: Fabrikantensohn Diederich Heßling wächst im typisch autoritären Zeitgeist der Wilhelminischen Ära auf. Er durchläuft die üblichen Stationen Wehrdienst und Studium und lässt sich auch den obligatorischen Schmiss verpassen, weil das halt so erwartet wird. Sein Prinzip, sich oben einzuschleimen und dafür nach unten um so deftiger auszuteilen, führt ihn schnell nach oben. Wenige Jahre später sollten brave Untertanen wie er treu und pflichtbewusst für Seine Majestät auf die Schlachtfelder ziehen.

Filmhistorisch bedeutsam, weil: Wolfgang Staudte hatte mit Die Mörder sind unter uns (1946) den ersten und vielleicht auch besten der deutschen Trümmerfilme gedreht (den ersten deutschen Film überhaupt nach dem Krieg). Als dann Deutschland in zwei Staaten aufgeteilt wurde, entschied er sich zunächst für die DDR, die er allerdings schon 1955 verließ.

Neben Helmut Käutner zählte Staudte in der deutschen Nachkriegszeit jedenfalls zu den wenigen Regisseuren, die sich um ein gewisses Mindestniveau bemühten und nicht auf den ganzen Erfolgswellen von Heimatschnulzen über Schlagerfilme bis hin zu revisionistischen Landserschinken mitschwammen. Zu Staudtes Hauptwerken zählt zweifellos die Literaturverfilmung Der Untertan nach dem Roman von Heinrich Mann.

Ich gestehe gern, dass ich von dem Buch gar nicht so schrecklich begeistert bin. Nicht dass ich es schlecht finde, nein, aber Mann verschießt sein Pulver ziemlich bald und ergeht sich nicht selten in sprachlichen wie inhaltlichen Wiederholungen, die sich bei aller Präzision der Beobachtung und Zeitanalyse doch zeitweise totlaufen.

Staudte gelang es, den Stoff des Romans bei großer Werktreue auf seine Essenz einzudampfen und daraus - auch dank der glücklich besetzten Hauptrolle - ein unvergessliches Charakterporträt zu gestalten. Damit zählt Der Untertan zu den wenigen Highlights des damaligen deutschen Films (ob nun Ost oder West) in einer künstlerisch ansonsten ziemlich trostlosen Kino-Landschaft.

Dass Staudte da keinesfalls nur eine nett herablassende Satire über die gute alte Zeit gelungen war, zeigten die erbosten Reaktionen in Westdeutschland. Seine Kritik am Wesen des deutschen Spießertums traf offenbar immer noch ins Schwarze, sodass sein Film im Westen erst 1957 in die Kinos kam. Und dann nicht einmal vollständig. So viel Gesellschaftskritik war in der Adenauer-Ära dem erwachsenen Menschen offenbar nicht zuzumuten, und so hatte man kurzerhand etwa elf bis zwölf Minuten herausgeschnitten. Erst 1971 gab es die komplette Fassung auch westlich der Mauer.

Staudte verschmäht bei seiner satirischen Demaskierung durchaus nicht die groben Töne, etwa wenn Papierfabrikant Heßling ein mit patriotischen Sprüchen bedrucktes Toilettenpapier vorstellt. Reclams Filmführer wendet dagegen ein:

Ein Schönheitsfehler des Films ist, daß dieser karikaturistischen Übersteigerung auf seiten der Reaktionäre bei den Arbeitern und Sozialdemokraten eine beinah pathetische Überhöhung gegenübersteht. Das stört die Einheit des Films.

Andererseits regte man sich im Ost-Propaganda-Blatt Neues Deutschland darüber auf, dass die kämpfende Arbeiterklasse viel zu wenig gezeigt würde und im Grunde gar nicht vorkäme. Nun will der Film es sicher nicht allen Recht machen, und es lässt sich heute kaum noch sinnvoll bestreiten, dass Staudte die Kernaussage von Manns Roman brillant auf den Punkt gebracht hat (meiner Meinung nach sogar besser als Mann selbst).

Abspann: In der Bundesrepublik drehte Staudte dann noch einige bemerkenswerte Filme wie Rosen für den Staatsanwalt (1959), später arbeitete er auch oft für das Fernsehen. So drehte er zum Beispiel den definitiven TV-Weihnachts-Vierteiler überhaupt: Der Seewolf (1971). Auch die hochgelobte deutsche Synchronisation von Stanley Kubricks Uhrwerk Orange (1971) geht auf sein Konto.