100 Filme: Die Brücke

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Auf DVD: Die Brücke

Kriegsdrama, Deutschland 1959, Regie: Bernhard Wicki, mit Folker Bohnet, Fritz Wepper, Michael Hinz, Frank Glaubrecht, Karl Michael Balzer, Volker Lechtenbrink, Günther Hoffmann, Cordula Trantow, Günter Pfitzmann

Intro: Bernhard Wickis Die Brücke gilt gemeinhin als einer der stärksten sogenannten Anti-Kriegsfilme überhaupt. Das soll Gelegenheit genug sein, ein paar Überlegungen zu diesem Begriff anzustellen, der im Grunde nicht viel sagt. Allein gegen den Krieg zu sein, stellt für viele Leute schon so eine Art Qualitätssiegel dar. Dabei ist sowieso kaum ein Film offen für den Krieg. Selbst die kriegstreiberischsten Propagandaschinken räumen irgendwo ein, dass Krieg eine eher unerquickliche Angelegenheit sei, bei der sich ein Mann freilich bewähren kann und so weiter.

Der Begriff Anti-Kriegsfilm ist deshalb so unglücklich, weil er einerseits eine Art Abgrenzung zu unterhaltsamer Actionware (wie Das dreckige Dutzend) darstellt, andererseits schmücken sich damit auch Werke, die absolut nicht gegen den Krieg sind. Das gilt zum Beispiel für Spielbergs vielgepriesenen Der Soldat James Ryan (der hier noch als Vergleich dienen soll). Was für einen Riesenaufwand betreibt Spielberg da, um gleich zu Beginn Arme, Beine, Eingeweide durch die Luft fliegen zu lassen, um dadurch die unerhörte Erkenntnis zu vermitteln: Potztausend, Krieg ist grausam!

Das hat aber sowieso nie jemand bestritten, nicht einmal Wilhelm Friedrich Meyern (1762-1829), der ansonsten befand,

daß solch ein Krieg das beste Mittel sey, den unnüzen Theil des Volkes zu mindern.

Nachzulesen in seinem Roman Dya-Na-Sore (1787-1791). Er war es auch, der in seiner Kriegsgeilheit den folgenden, geradzu prophetischen Dialog schrieb, der bereits das Thema von Wickis Die Brücke vorwegnimmt:

Wer bist du, fragte ihn der König.
K. Ein Knabe, der lieber Mann wäre.
D. K. Warum?
K. Um in der Vertheidigung meines Vaterlandes zu sterben.

Viel wichtiger als die Frage, ob jemand gegen oder für den Krieg argumentiert, ist doch, ob er auch etwas Verbindliches über den Krieg zu sagen hat. Das gilt zum Beispiel für Jean Renoirs Die große Illusion, in dem der Krieg selbst gar nicht gezeigt wird. oder - auf einer ganz anderen Ebene - für Charlie Chaplins Satire Shoulder Arms! (1918).

Auf die klassische Schockmethode in der Tradition von Im Westen nichts Neues setzt dagegen Bernhard Wicki mit Die Brücke. Er betreibt einen winzigen Bruchteil des Aufwandes von Spielbergs Ryan, aber seine Aussage ist unendlich viel klarer und kompromissloser. Während bei Spielberg am Ende jede militärische Aktion noch einen Sinn hatte und Dutzende von Nachkommen am Grab des Helden heulen (was für ein verlogener Sülz!), verteilt Wicki nur Tiefschläge, und nichts mildert diesen zutiefst deprimierenden Blick auf die hässlichsten Seiten des Krieges.

Inhalt: Im Frühling 1945 ist der Krieg für Deutschland an allen Fronten verloren. Nur ein paar Hardliner schwätzen noch vom Endsieg, aber niemand glaubt noch wirklich daran. Ein Provinzkaff ist bisher von alliierten Bomben weitgehend verschont geblieben. Eine Gruppe von Gymnasiasten sieht den Krieg deshalb immer noch als eine Art Abenteuer (und eine gute Gelegenheit, Männlichkeit zu beweisen). Als die Front unaufhaltsam näher rückt, flattern ihnen die Einberufungsbescheide ins Haus, was durchaus mit freudiger Erregung aufgenommen wird (siehe den Dialog von Meyern).

Um zu verhindern, dass die sieben Jungs in der Schlacht verheizt werden, werden sie abkommandiert, um auf eine strategisch völlig wertlose Brücke aufzupassen, die sowieso gesprengt werden soll. Aber der Plan geht gründlich schief. Ihr Aufpasser wird irrtümlich als Deserteur erschossen, und ganz auf sich gestellt, werfen sich die Teenies den amerikanischen Panzern entgegen.

Filmhistorisch bedeutsam, weil: Wo Spielberg gleich zu Beginn Hunderte von Millionen Dollar durch die Kanonenrohre jagt, um namenlose Statisten photogen zu Brei zu zerschießen, lässt sich Wicki erst einmal eine gute Stunde Zeit, die Charaktere einzuführen. Ganz unspektakulär und uneitel zeichnet er den Kriegsalltag in der Provinz: Der Obernazi bringt seine Schäfchen ins Trockne, der Lehrer will vergeblich seine Kiddies retten, die Mütter sind verzweifelt, und die Halbwüchsigen erfreuen sich an den ausgelutschten Parolen der NS-Heldenpropaganda.

Als es schließlich zum Einsatz kommt, reagiert jeder anders: Der eine mutiert zum tollkühnen Rambo, ein weiterer zum eiskalten Heckenschützen, andere wiederum haben nur (wortwörtlich) die Hosen voll, und einer ist sowieso schon recht bald tot.

Seine Authentizität erhält Die Brücke dadurch, dass Wickis Darsteller tatsächlich im richtigen Alter sind (in Hollywood ist man es inzwischen gewöhnt, dass die Teenies von Mittzwanzigern gespielt werden). Zu sehen sind unter anderem Derricks späterer Co-Ermittler Fritz Wepper, Volker Lechtenbrink oder Cordula Trantow. In einer winzigen Nebenrolle taucht übrigens Vicco von Bülow (besser bekannt unter dem Namen Loriot) auf. Er spielt einen Stabsfeldwebel und spricht mehrfach das Wort Bienenkorb.

Es heißt, dass Wicki seine jugendlichen Darsteller übelst geschunden habe, damit die Nervenzusammenbrüche gegen Ende glaubhaft wirken. Der internationale Erfolg war jedenfalls überwältigend, und das in einer Zeit, da der deutsche Nachkriegsfilm sein Publikum nicht gerade mit Meisterwerken verwöhnte. Und die zahlreichen Kriegsfilme der Zeit feierten allzuoft tapfere Landser oder stramme U-Boot-Kapitäne. Dagegen setzte Wicki einen nüchternen Realismus, der zwar nicht mit den Splatter-Effekten von Spielbergs Ryan konkurrieren kann, aber damals dennoch ungemein schockierte. Wie eingangs ausgeführt: Nicht die Grausamkeit an sich macht indes den Antikriegsfilm, sondern die Konsequenz. Hier stehen am Ende keine Heerscharen von heulenden Nachkommen am Grab der Kriegshelden.

Abspann: 2008 drehte Wolfgang Panzer für ProSieben ein Remake. Und das sieht genau so aus, wie man das von einem quotengeilen Privatsender auch erwarten würde.