100 Filme: Die Zehn Gebote (The Ten Commandments)

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Auf DVD: Die Zehn Gebote (The Ten Commandments)

Monumentalfilm, USA 1956, Regie: Cecil B. DeMille, Musik: Elmer Bernstein, mit Charlton Heston, Yul Brynner, Anne Baxter, Edward G. Robinson, Yvonne De Carlo, Debra Paget, Nina Foch, Cedric Hardwicke, John Derek, Martha Scott, Judith Anderson, Vincent Price, John Carradine

Intro: Als in den 1950er Jahren in den USA das Fernsehen durchsetzte, kam das Kino in seine erste große Krise. Hollywood reagierte darauf mit einer Flut von Monumentalfilmen, die mit endlosen Schauwerten, satten Farben und dem neu entwickelten CinemaScope-Breitwand-Verfahren die Leute von der Flimmerkiste weglocken sollten. Für etwa zehn, fünfzehn Jahre entstand ein Kolossalwerk nach dem anderen, von Quo vadis? (1951) über Ben Hur (1959) bis zu Cleopatra (1962), dessen finanzielles Desaster dann auch schon das Ende der Welle einläutete.

Kaum einer dieser Filme hatte dem äußeren Prunk auch innere Qualitäten entgegen zu setzen. Ein schwülstiger Langweiler wie Das Gewand (1953) wäre heute längst vergessen, wäre er nicht zufällig der erste CinemaScope-Film. Selbst der mit Oscars zugeschüttete Ben Hur erkauft sich seine vierstündige Laufzeit mit etlichen Durchhängern (nach dem Wagenrennen passiert für anderthalb Stunden oder so rein gar nichts mehr).

Letzten Endes gab es nur einen Regisseur, der sich - schon lange vor den Fünfzigern - völlig dem Ausstattungsfilm verschrieben hatte. Und nur dieser eine verstand es im Grunde, sich unbekümmert zum Show-Effekt dieser Produktionen zu bekennen: Cecil B. DeMille. Mit seinem letzten Film setzte er sich noch einmal ein Denkmal: Als seriöses Anschauungsmaterial für den Religionsunterricht ist Die Zehn Gebote verloren, als reines Spektakel dagegen zeitlos und in seiner Art unübertroffen.

Inhalt: Eigentlich, auf dem Papier sozusagen, geht es um das Alte Testament, wie Moses sein Volk aus der ägyptischen Sklaverei führt, wie das Rote Meer sich teilt, die Verfolger verschlingt, und wie der Herr dann die 10 Gebote mit Blitz und Donner in ein paar Marmortafeln schleudert. Halleluja! Weil die entsprechenden Bibelstellen aber nicht gerade ausführlich sind, hat DeMille noch tüchtig was dazufabuliert, sodass er am Ende auf 220 Minuten Laufzeit kam (die man auf einer Backe absitzt).

Filmhistorisch bedeutsam, weil: Als die Dreharbeiten zu dieser gigantischen Show begannen, war Cecil B. DeMille weit über 70 und eigentlich im besten Rentenalter. Dennoch erlebte er noch einmal einen späten Karriere-Höhepunkt. Soeben hatte er für Die größte Schau der Welt (1952) einen Oscar erhalten (nach fast vier Jahrzehnten auf dem Regiestuhl eine recht späte Anerkennung, aber immerhin mehr als es jemals für Howard Hawks oder Alfred Hitchcock gab). Witzigerweise wird gerade dieses Zirkus-Spektakel heute nicht unbedingt zu seinen Glanztaten gezählt.

Schon im Stummfilm hatte sich DeMille einen Namen gemacht, zunächst mit leicht schlüpfrigen Komödien (Irrwege einer Ehe, 1920) und ebensolchen Dramen (Frauen auf schiefer Bahn, 1922). Aber recht bald zeigte sich seine Begeisterung für pompöse Ausstattungsfilme mit historischem oder biblischem Hintergrund, auch dies alles gern ein bisschen schlüpfrig. Ein antikes Umfeld war schließlich eine gute Entschuldigung, die Darstellerinnen in recht luftiger Kleidung herumlaufen zu lassen. Claudette Colbert beispielsweise zeigt sich in Cleopatra (1934) in geradezu abenteuerlichen Kostümen, und in Im Zeichen des Kreuzes (1932) riskiert sie beim Milchbad sogar ein für die Zeit ungeheuerliches Nipplegate.

Das zeigt, dass es DeMille mit seinen - oft religiösen - Themen nicht so entsetzlich ernst nahm. Altes und Neues Testament, Christenverfolgung im Alten Rom, aber auch Kreuzzüge waren ihm in erster Linie Anlass für gewaltige Materialschlachten und fette Massenszenen in geradezu größenwahnsinnigen Bauten. Und dazwischen turnten nicht selten leicht bekleidete schöne Frauen. Edel-Trash, wenn man so will, aber keiner hatte das besser drauf als Cecil B. DeMille.

Die Liste seiner sehenswerten Filme ist lang, und wenn sich bizarre Kuriositäten darin finden, dann doch wenigstens immer unterhaltsame. Bereits 1923 hatte DeMille eine erste Verion von Die Zehn Gebote in einem berühmten Stummfilm vorgelegt, seinerzeit aber nur als Rahmenhandlung für eine Geschichte aus der (damaligen) Gegenwart. Deshalb ist der Film von 1956 auch kein Remake, wie oft zu lesen ist.

Mit ungleich höherem Aufwand, einer ganzen Hundertschaft von Stars, properen Studiobauten (nur ein paar Alibi-Aufnahmen entstanden in Ägypten) und zigtausend Statisten war der Film rein äußerlich ein typisches Produkt seiner Zeit, vielleicht eine Nummer größer als andere, aber weder thematisch noch formal auf unbeschritteten Wegen. Was das Werk dann zu einem reinen DeMille macht, ist die erstaunlich straffe Inszenierung, die sich keinen einzigen Durchhänger leistet.

Viel Aufsehen erregte - wie schon 1923 - die Trickaufnahme von der Teilung des Meeres. Gerade diese Szene wirkt aus heutiger Sicht ziemlich trashig und billig, als sei sie zum Kostenausgleich in DeMilles Badewanne gedreht worden oder so. Doch auf ihre spezielle Art möchte man die Sequenz auch nicht missen - sie gehört einfach dazu, so wie sie nun mal ist.