100 Filme: Supervixens

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Auf DVD: Supervixens

Roadmovie, USA 1975, Regie, Buch, Kamera und Schnitt: Russ Meyer, mit Charles Pitts, Shari Eubanks, Charles Napier, Edward Furlong, Uschi Digard

Intro: Die Geschichte des Films besteht bekanntlich nicht nur aus Kunst der Liga besonders wertvoll, sondern eben auch aus Trash. Aber kompetent gemachter Trash ist sehr selten. Russ Meyer war einer, der es konnte. Er wusste, dass man für einen erfolgreichen Kinofilm nicht viel Geld ausgeben muss. Dazu brauchte er eine Handvoll Darsteller, ein paar Autos und eine Wüste. Innenaufnahmen wurden zur Not im eigenen Wohnzimmer oder bei Freunden gedreht.

Inhalt: Der einfache amerikanische Durchschnittsbursche Clint (Pitts) verdient seine Brötchen hart an der Tankstelle eines gewissen Martin Bormann. Schwer gestraft ist er mit seiner nicht unansehnlichen, doch extrem zickigen Frau SuperAngel (Eubanks). Als es bei einem Familienkrach mal wieder hoch hergeht, greift der tumbe Cop Harry (Napier, Foto) ein und lässt sich hinterher von SuperAngel anmachen. Da er sich von ihr wegen seiner Impotenz verhöhnen lassen muss, zertrampelt er sie in der Badewanne und schiebt die Schuld dem alibilosen Clint in die Schuhe. Der flieht daraufhin und trifft nach einer längeren Odyssee eine Doppelgängerin seiner Ex-Frau, die gutmütige SuperVixen (auch die anderen weiblichen Rollennamen beginnen übrigens allesamt mit Super). Schon glaubt Clint, sein Lebensglück gefunden zu haben, da taucht Harry wieder auf. Mit einem Sack Dynamit.

Filmhistorisch bedeutsam, weil: Regisseur Russ Meyer wird in der öffentlichen Wahrnehmung meist auf seine Vorliebe für Darstellerinnen mit beachtlicher Oberweite reduziert. Doch auch wenn längst nicht alle seine Filme Kleinodien der Kinogeschichte sind, verdient doch etwa ein halbes Dutzend davon Beachtung über den unseligen Stempel Sexfilm hinaus. Mudhoney (1965) beispielsweise ist - im Rahmen eines schrägen Melodrams - ein bissiges Stück Sozialkritik über Doppelmoral auf dem Land. Motorpsycho (ebenfalls 1965) zeigt als einer der ersten Filme die traumatische Wirkung des Vietnamkrieges auf die Psyche eines durchgeknallten Veteranen. Und in Supervixens schließlich findet der plakative Comicstil der späten Meyer-Filme seine überzeugendste Ausprägung.

Supervixens (1975) entstand in einer Zeit, als das Kino sozusagen kollektiv seine Pubertät nachholte. Bis weit in die 60er Jahre hinein waren Nuditäten auf der Leinwand meist sowieso verboten, und wenn sich einmal ein bisschen zu viel Haut durchmogelte, gab es gleich einen Skandal. Die Filmemacher mussten sich schon irgendwelcher Ausreden bedienen, um noch durch die Zensur zu schlüpfen, zum Beispiel unbekleidete Eingeborene und naive Teenie-Unschuld wie in Liane - Das Mädchen aus dem Urwald (1956). Europäische Regisseure wie Louis Malle (Die Liebenden, 1958) oder Ingmar Bergman (Das Schweigen, 1963) akzeptierten diese realitätsferne Prüderie nicht länger und zeigten, dass Händchenhalten im Mondschein nicht das höchste der Gefühle ist (auch wenn sie sich damit in etlichen Ländern die erwarteten Zensurschnitte einhandelten).

Der Bann war aber gebrochen, und es dauerte nicht lange, dass auch andere Regisseure die Präsentation von blanker Haut für sich einforderten. Im Gegensatz zu Bergman und Malle hatten diese nicht immer hehre künstlerische Ansprüche. So wurde im Kino der späten 60er und 70er Jahre der Sexfilm zur Landplage. Die Deutschen beispielsweise amüsierten sich köstlich über Beim Jodeln juckt die Lederhose (1974) von Alois Brummer.

Von diesen reinen Arsch-und-Titten-Filmern unterschied sich Russ Meyer schon dadurch, dass er - in seinen besten Werken - ein klares visuelles Konzept hatte und außerdem sein filmisches Handwerk beherrschte. Die sehr direkte Bildsprache verweist gelegentlich auf seine Herkunft vom Dokumentarfilm; manches ist dagegen reine Comicästhetik, allein schon der großbusigen Darstellerinnen wegen. Doch trotz dieses wirklich hervorstechenden Produktionsmerkmals wäre es falsch, in Supervixens nur einen Sexfilm zu sehen (deshalb ist oben Roadmovie als Genre angegeben). Denn Sex spielt zwar eine unübersehbare Rolle, im Gegensatz zu den deutschen Lederhosen-Plotten würde die Handlung aber auch als Melodram noch funktionieren. Filmkritiker Otto Kuhn schrieb 1979:

Von Bildern versteht Meyer etwas, genau wie vom Kintopp. In diesem Film zitiert er pausenlos andere Streifen, ob (…) Bond-Film oder Italo-Western (…), Fellini oder Andy Warhol. (aus Lothar R. Just: Das Filmjahr 1979, S. 62)

Und Hitchcock natürlich, dessen Duschmordszene aus Psycho hier zu einer Art Turboversion fortgesponnen wird: virtuos gefilmt und geschnitten (alles von Meyer selbst), eine sinnlose Raserei im Kampf der Geschlechter. Stets eindeutige Symbolik rundet das Bild ab, etwa wenn der impotente Harry am Ende Clints neuer Freundin Dynamitstangen zwischen die Beine rammt. Das ist so herrlich unbeleckt von jeder political correctness, dass es immer noch Spaß macht.