100 Filme: Zwölf Uhr mittags (High Noon)

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Auf DVD: Zwölf Uhr mittags (High Noon)

Western, USA 1952, Regie: Fred Zinnemann, Buch: Carl Foreman, Kamera: Floyd Crosby, Musik: Dimitri Tiomkin, mit Gary Cooper, Grace Kelly, Thomas Mitchell, Lloyd Bridges, Katy Jurado, Otto Kruger, Lon Chaney jun., Ian MacDonald, Lee van Cleef

Inhalt: Marshal Will Kane (Cooper) hat im Westernkaff Hadleyville lange Zeit für Recht und Ordnung gesorgt. An einem heißen Tag, so gegen halb elf vormittags, hat er gerade eine kühle blonde Schönheit (Kelly) geheiratet und möchte sich mit ihr auf seinen wohlvedienten Lorbeeren ausruhen. Da ereilt das Paar die Nachricht, dass der Gangster Frank Miller wieder auf freiem Fuß ist. Da Kane es war, der ihn einst hinter Gitter gebracht hatte, verliert er nicht viel Zeit, schart drei miese Galgenvögel um sich und kündigt Rache an. Er wird mit dem Zwölf-Uhr-Zug erwartet, und seine Kumpel warten am Bahnhof schon auf ihn.

Für Marshal Kane bleibt also genug Zeit, sich aus dem Staub zu machen, und schon ist das frisch vermählte Paar mit der Kutsche weit vor den Toren der Stadt, als Kane es sich anders überlegt. Man könne nicht immer nur davonlaufen, meint er, macht kehrt und will die Sache ein für allemal bereinigen. Das missfällt seiner Frau Gemahlin, die als Quäkerin jede Form von Gewalt strikt ablehnt. Sie erklärt die Ehe für beendet und schickt sich an, den Ort alleine zu verlassen, passenderweise mit dem Zwölf-Uhr-Zug.

Kane sucht unterdessen Hilfe unter seinen Freunden, aber die haben allesamt mehr oder weniger originelle Ausreden. Tatsächlich muss Kane erkennen, dass seine Anwesenheit in Hadleyville höchst unwillkommen ist: Die braven Bürger wollen keine Schießerei. Immer mehr Zeit verstreicht, und am Ende bleibt Kane keine andere Wahl, als sich ganz allein den vier Revolverhelden zu stellen. Doch halt, in letzter Sekunde naht doch noch gänzlich unerwartete Hilfe …

Filmhistorisch bedeutsam, weil: Als High Noon anlief, standen Western allgemein nicht gerade im besten Ruf. Das waren nach Meinung der Bildungsbürger allesamt schieß- und prügelwütige Trivialgeschichten fürs dumpfe Volk. Was natürlich Quatsch war. Es sollte jedoch noch eine Weile vergehen, bis selbst den Cinéasten die gleichbleibend hohe Qualität der Western von John Ford, Howard Hawks, Fritz Lang und zahlreichen anderen Regisseuren auffiel. Ein Film jedoch genoss schon damals einen Sonderstatus: High Noon des gebürtigen Österreichers Fred Zinnemann.

Der war nicht gerade ein Westernfachmann. Mit dem vorzüglichen Kriegsdrama Das siebte Kreuz (1944) nach dem Roman von Anna Seghers hatte er schon Schwergewichtiges zustande gebracht und genoss deshalb auch bei Feingeistern hohes Ansehen. Nun ließ Zinnemann nichts aus, um seinem Western den Anstrich von Kunst zu verleihen und ihn damit kompatibel zu den Feuilletonspalten zu machen. Die Geschichte ist gebaut wie ein klassisches Drama mit strenger Einheit von Ort, Zeit und Personen. Erzählte Zeit und Erzählzeit sind halbwegs deckungsgleich, und damit das jeder mitbekommt, zeigt Zinnemann regelmäßig die Zifferblätter sämtlicher Uhren Hadleyvilles in Großaufnahme.

Viel ist in den Film hineininterpretiert worden. Die einen sahen in der Jagd auf den allein gelassenen Außenseiter einen Kommentar auf die Kommunistenhatz der McCarthy-Ära, andere wieder deuteten das Misstrauen gegenüber den Fremden, die rausgeschmissen werden müssen, als reaktionär. Diese Deutungen sind wohl einer Zeit geschuldet, in der ein Western mehr sein musste als ein Western, um ernst genommen zu werden. In seinem Kern birgt High Noon die klassisch simple Story: Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss! Und das ist eigentlich genug für einen guten Film. Erzählt ist das so gut, dass der Film auch nach dem zehnten Anschauen nichts von seiner Spannung einbüßt.

Anteil daran hat nicht allein die Handlung; ungewöhnlich ist auch die Kameraarbeit von Floyd Crosby, der mit extremer Schärfentiefe arbeitet, wodurch die Bilder jede Weichheit einbüßen. Zinnemann sagte, er wolle den schnörkellosen Look einer Wochenschau, und Crosby setze das mit seiner absichtlich flachen und unplastischen, aber sehr direkten Fotografie gekonnt um. Berühmt wurde schließlich auch die Musik. Zum Vorspann singt Tex Ritter den Schmachtfetzen Do not forsake me, oh my darling, der die ganze Geschichte leitmotivisch begleitet.

High Noon erhielt vier Oscars: Ausgezeichnet wurden die Musik, das Titelstück, der Schnitt und Gary Cooper in der Hauptrolle. Regisseur Zinnemann war zwar nominiert, ging aber leer aus und erhielt den Academy Award erst für seinen nächsten Film, Verdammt in alle Ewigkeit (1953).