Poesie des Alltags

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Eine Frage, die mir oft gestellt wird: Wie ist meine (Mengs) persönliche Praxis?
Nun, sie ist tatsächlich wie das tägliche Leben.

(Tan Chade Meng)

Für mich ist Meditation viel mehr, als auf einem Kissen zu sitzen. Sie ist etwas, dem ich versuche, jeden Moment meines Lebens zu widmen. Das Pali-Wort, das häufig als Meditation übersetzt wird, ist Bhavana. Ich schlage vor, dass Bhavana wirklich als Kultivierung übersetzt werden sollte, weil Bhavana nicht auf das Sitzen beschränkt ist, sondern jeden gelebten Moment betrifft.

Meine Kultivierung (ich verwende ab jetzt dieses Wort anstatt Meditation) dreht sich um die Übung und die Kultivierung von drei Qualitäten: Freundlichkeit, Gelassenheit und Bewußtheit:

Freundlichkeit
ist einfach das. Sie ist etwas, das in jedem wachen Moment geübt werden kann. Ich behaupte, dass Freundlichkeit die Grundlage der rechten Rede, der rechten Tätigkeit und des rechten Lebensunterhalts ist. Ich behaupte auch, dass jeder Moment geübter Freundlichkeit ein Schritt ist zur Kultivierung des Mitleids, der genußvollen Freude und der Liebe.
Gelassenheit
(Samadhi, auch übersetzt als Konzentration und Stabilität) ist die Übung, den Geist zu beruhigen. Hier kommt das Sitzen auf dem Kissen ins Spiel. Beim dem Sitzen und der Konzentration auf den Atem (oder dem Singen eines Mantra oder der Konzentration auf ein Bild des Buddha usw.), gewinnt man Geistesstabilität und Ruhe. Sogyal Rinpoche drückt das sehr schön aus: es ist wie die Umwandlung des Geistes von einem gewaltigen Wasserfall in einen ruhigen Ozean.
Nach meiner Erfahrung macht es keinen großen Unterschied, in welcher Haltung man sitzt. Man kann sogar auf seinem Lieblings-Stuhl sitzen, wenn man es wünscht, wichtig ist die Ruhe des Geistes. Einen großen Vorteil bringt es, wenn man diese Ruhe aus der sitzenden Position ins täglichen Leben übertragen kann. Das ist eine wundervolle Erfahrung.
Bewußtheit
bedeutet ständiges volles Gewahrsam seiner selbst, seiner Gefühle, Gedanken, seines Körpers und seiner Worte. Es bedeutet ganz im hier und jetzt zu leben und jeden Moment dazu zu nutzen, über uns selbst, über Samsara, Dukkha und Dharma zu lernen.
Bewußtheit, so behaupte ich bescheiden, ist die Wichtigste aller buddhistischen Übungen. Zumindest in den Traditionen des Theravada und des Sōtō-Zen ist Bewußtheit die Säule der Kultivierung des Selbst. Bewußtheit ist die Quelle von Einsicht und Weisheit und der Überwindung von Dukka.
Meine eigene Erfahrung ist, dass Freundlichkeit den Boden von Felsen befreit, Gelassenheit die Samen auslegt und Bewußtheit auf deren Gedeihen achtet und die Belohnung erntet.

Einfach gesagt, besteht meine Kultivierung (Meditation) aus Essen und Schlafen. In allem, was ich tue, versuche ich, die drei obigen Qualitäten zu üben. Soweit es um die Übung des Dharma geht, gibt es keinen Unterschied zwischen dem Sitzen auf meinem Hintern und dem täglichen Leben.

Für mich ist Dharma in der schönen Poesie des täglichen Lebens.