Der Sonnenstaat

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Letzte Nacht im Regal gestöbert. Auf ein Büchlein mit Utopien der Renaissance gestoßen. Geblättert. Gekotzt (fast).

In dem Sammelband finden sich:

Dabei erzählt irgendein Reisender, dass er irgendwo am Arsch der Welt eine perfekt funktionierende Gesellschaft gefunden hat. In Campanellas Sonnenstaat sieht das zum Beispiel so aus:

Häuser, Schlafräume, Betten und andere nothwendige Dinge sind Allen gemeinsam. Jedesmal nach sechs Monaten trifft die Obrigkeit eine Bestimmung, welche Personen hier, welche dort zu schlafen haben, was auf dem Querbalken über der Thür angeschrieben ist.

Reichthum macht unverschämt, hochmütig, unwissend, verrätherisch, eingebildet aufs Nichtswissen, prahlerisch, schmähsüchtig, herzlos u.s.w.

Den Sonnenstaatlern ist kein Spiel, das im Sitzen gespielt wird, erlaubt, weder Würfel- noch Schachspiel und ähnliche; sie spielen mit dem Ball, mit Pfeil- und Hakenbüchsenschießen u.s.w.

Kein Mann darf sich mit einem Weibe fleischlich vermischen, bevor sie das neunzehnte Jahr erreicht hat. Und der Mann darf dem Zeugungsgeschäfte nicht obliegen, wenn er das einundzwanzigste Jahr noch nicht angetreten hat. Vor dieser Zeit ist Einigen der Beischlaf gestattet, aber nur mit Unfruchtbaren oder Schwangeren, damit sie nicht auf unnatürlichem Wege Befriedigung ihrer Leidenschaften suchen. Matronen und ältere Magistratspersonen haben den Liebesdrang grobsinnlicher Naturen in Schranken zu halten, die ihre Wünsche Jenen insgeheim bekannt geben, die sich ihnen übrigens auch auf den Ringplätzen verrathen. Doch erbitten die Betreffenden die Erlaubniß vom obersten Magistrate, dem das Zeugungsgeschäft unterstellt ist, dem Oberarzte, der seinerseits dem Triumvir »Liebe« untersteht. Diejenigen, welche wegen Sodomie auf der That ertappt werden, erhalten eine Rüge, und werden zur Strafe dazu verhalten, sich die Schuhe zwei Tage lang um den Hals zu binden, wie um dadurch anzudeuten, daß sie die natürliche Ordnung verkehrt und die Füße gleichsam auf den Kopf gestellt haben. Wenn sie aber ruckfällig werden, wird die Strafe verschärft, bis zuletzt Todesstrafe verhängt wird.

Der Beischlaf darf nur nachdem sich die Gatten gebadet haben und jede dritte Nacht stattfinden. Große und schöne Frauen werden nur mit großen, wohlgebauten Männern gepaart; die beleibten Frauen mit mageren Männern; umgekehrt werden schlanke Frauen für starkleibige Männer aufbewahrt, damit aus der Mischung ihrer Temperamente eine vortrefflich geartete Rasse hervorgehe. Abends kommen die Knaben und machen die Betten, dann gehen sie selbst auf das Geheiß des Aufsehers und der Aufseherin zu Bette. Die geschlechtliche Vereinigung findet erst nach geschehener Verdauung statt und nachdem die Eltern zu Gott gebetet haben. In den Schlafzimmern sind schöne Bildsäulen erlauchter Männer angebracht, welche die Frauen betrachten. Den Blick durchs Fenster zum Himmel gerichtet, bitten sie Gott, daß er ihnen herrlichen Nachwuchs verleihe. Sie schlafen in zwei getrennten Kammern, bis zur Stunde ihrer Vereinigung; zur bestimmten Zeit öffnet eine Matrone die beiden Thüren von außen. Diese Stunde bestimmen der Arzt und der Astrolog, welche den Zeitpunkt zu treffen suchen, in welchem Venus und Merkur östlich von der Sonne in einem günstigen Hause stehen, im glückverheißenden Anblick des Jupiter, desgleichen des Saturn und Mars, oder ganz außerhalb der Sphäre eines derselben.

O, wenn Du erst wüßtest, was sie von der Astrologie gelernt haben und von unsern Propheten über das kommende Jahrhundert! Unser Jahrhundert habe mehr Geschichte, Erlebnisse, Ereignisse, als die ganze Welt zusammengenommen in viertausend Jahren, daß in diesem Jahrhundert mehr Bücher das Licht der Welt erblickt haben, als in fünftausend Jahren vorher. Sie bewundern unaufhörlich die Erfindung des Buchdrucks, des Schießpulvers und des Kompasses, Zeichen und Werkzeuge der Vereinigung der ganzen Welt in einem Schafstall. Diese wunderbaren Erfindungen sind, behaupten sie, unter dem Einflusse des Mondes und des Mars gemacht, als gerade eine große Konjuktion stattfand im Dreieck des Krebses, in der Apsidenlinie des Merkur, der gerade das Zeichen des Skorpions durchlief, worin jene Gestirne (Mond und Mars) geradezu allmächtig sind, um neue Seereisen, neue Reiche, neue Waffenthaten zu inauguriren. Aber sobald die Apsidenlinie des Saturn in das Zeichen des Steinbocks eintritt, die des Merkur in das Zeichen des Schützen, die des Mars in das Zeichen der Jungfrau, so werden nach den ersten großen Konjunktionen und dein Erscheinen eines neuen Sternes in der Kassiopeia die Gesetze und Künste erneuert werden, neue Propheten werden auferstehen und Christenthum wird triumphiren. Aber vorher wird viel, gar viel umgestürzt und ausgerottet werden müssen, bevor es ans Bauen und ans Neupflanzen geht. Lebe wohl, mein Schiff erwartet mich!

Den ungekürzten Quatsch gibt's hier:
http://www.zeno.org/Philosophie/M/Campanella,+Tommaso/Der+Sonnenstaat

Nicht abzustreiten ist, dass solche Philosophie der Menschheit die schönsten Idealstaaten vom Mao-China über die UdSSR bis zum Lebensborn-Projekt der braunen Matschköpfe beschert hat. Die Leute wussten nur alle nicht, wie gut das alles für sie war, und in was für einem echten Sonnenstaat sie lebten!