Jana weiß es.

Geschrieben von am .

Triggerwarnung: dieser Artikel enthält Mansplaining™.

Vorbemerkung: in einem früheren Leben habe ich den Spiegel, die Zeit und manchmal auch die Süddeutsche gelesen. Diese Publikationen sind heute leider (wie viele andere Qualitätspresseerzeugnisse™) weit ins Linkspopulistische abgedriftet und verbreiten oft geradezu unerträgliche Propaganda. Die Papier-Auflagen sind im Sinkflug, möglicherweise auch wegen der pandemischen Leserbeschimpfung.

Noch gruseliger sind die Online-Ableger bento (Spiegel, Stand nicht via SSL/TLS erreichbar), NEON (Stern) und ze.tt (Zeit), die sich in ihrem Selbstverständnis an junge Leute richten, dem Inhalt nach aber meines Erachtens an Menschen mit geistiger Sonderbegabung, wie es heute euphemistisch heißt.

Normalerweise lese ich solche Angebote nicht, denn zu sehen, wohin sich ehemals hochwertige (hier mal nicht zynisch gemeint) Zeitschriften entwickelt haben, ist meinem Blutdruck nicht zuträglich. Und weil mir meine Gesundheit wichtig ist, habe ich die kompletten Domains in eine lokale Sperrliste meines Adblockers eingetragen, um auch einen versehentlichen Kontakt zu vermeiden.

Wenn ich von Freunden auf einen bestimmten besonders dämlichen Artikel hingewiesen werde, mache ich manchmal eine Ausnahme (und benutze einen anderen Browser).

Dies hier ist eine solche Ausnahme.

In bento jammert eine Studentin darüber, wie arm sie doch sei und wie schlecht es ihr gehe.

Ich zitiere nur auszugsweise und in indirekter Rede im Konjuktiv. Wenn ich dadurch an einer Stelle den Sinn verfälscht haben sollte, so möge man mir das mitteilen, und ich korrigiere es unverzüglich.

Um eine Sinnverfälschung zu vermeiden, hätte ich gerne den vollständigen Artikel Absatz für Absatz zitiert und kommentiert. Leider reicht das Recht auf Zitieren nicht so weit, und gerade linkspopulistische Publikationen sind bekannt dafür, dass sie sich mit Kritik nicht auseinandersetzen, sondern sie formaljuristisch zum Schweigen zu bringen versuchen.

Dieses Verhalten ist nachvollziehbar, denn die inhaltliche Auseinandersetzung haben sie längst verloren.

Und damit medias in res.

Der Artikel vom ist verfasst von einer Leonie Hallert und titelt so:

Was bedeutet es, kaum Geld zum Leben zu haben? Jana weiß es.

Nach Abzug aller Kosten hat sie noch 130 Euro pro Monat.

Ab hier benutze ich Konjunktiv und indirekte Rede:

Jana fühle sich Hamburgs Fußgängerzone fremd, wegen der Kauflustigen, wegen der Angebote, wegen der Sale-Schilder, weil der Stadtteil für Menschen gemacht sei, die konsumieren können und wollen.

Wenn man sich in einem Stadtteil schlecht fühlt, dann (hier beginnt das Mansplaining) meidet man ihn.

Jana studiere soziale Arbeit.

Was auch immer das sein mag. Kostenlose Empfehlung: wer Konsum zu einem zentralen Inhalt seines Lebens machen will, für den empfiehlt sich — wenn überhaupt ein Studium —, dann eines aus dem technischen Bereich. Und nicht irgendwas mit Menschen. Mehr Mädels in technischen Berufen sind übrigens auch eine Forderung der Grüninnen und Grünen.

Sie sei ein Arbeiterkind.

Willkommen im Club.

Sie spüre oft, dass sie eine Seltenheit sei.

Ist das ein eher dumpfes, pochendes, drückendes oder stechendes Gefühl?

Ihre Eltern könnten ihr nicht helfen, wenn es darum geht, wie man Kurse wählt, Praktika ergattert oder Stipendien organisiert.

Das Abitur ist auch bekannt als Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife. Das Abiturzeugnis ist kein Anspruch auf was auch immer. Es bescheinigt lediglich, den Anforderungen eines Hochschulstudiums gewachsen zu sein.

Wenn jemand nicht in der Lage ist, Kurse zu wählen und Praktika zu finden, dann ist sie offensichtlich nicht für ein Hochschulstudium geeignet. Dann hat sie das Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife zu Unrecht bekommen. In Bremen und Hamburg nicht selten. Noch häufiger in Berlin. Und wenn sie von elementaren Studienelementen überfordert ist, wie kommt sie dann auf die abwegige Idee, ein Stipendium zu verdienen?

Sie lebe nur von Bafög und Kindergeld, zusammen knapp 700 Euro.

700 Euro. Ich würde mein tiefempfundenes Mitleid aussprechen, kann mir aber nur eine Tüte pro Monat leisten, und die ist bereits aufgebraucht. So bleibt mir das Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Ja, ich weiß, nicht hilfreich.

Ziehe sie ihre Fixkosten ab, blieben ihr im Monat 130 Euro für Lebensmittel, Kleidung, Wochenenden.

Die Fixkosten sind leider nicht aufgeschlüsselt. Aber auch hier einige wie immer kostenlose Tipps: frau kann bei den Eltern wohnen. Oder in einer WG. Frau kann ein gebrauchtes Schlaufon nutzen (Es fallen genug an bei den Menschen, die automatisch alle zwei Jahre ein Neues bekommen.) Prepaid mit einer 8€-Flatrate. Das ÖPNV-Netzabo erzeugt Mobilität und ist in der Semestergebühr inkludiert.

Sie habe eine Ausbildung zur Notarfachangestellten abgebrochen, weil sie lieber soziale Arbeit studieren wolle.

♩♪♫♬ Heute hier, morgen dort, bin kaum da, muss ich fort. ♩♪♫♬

Sie habe seit Monaten keine neuen Klamotten mehr gekauft.

Reichen die alten noch zur Bedeckung der Anatomie und zum Schutz vor der Witterung? Ja wo zum Teufel ist dann das Problem?

Sie fahre nicht für Wochenenden an die Nordsee, wie es viele Studierende tun.

Millionen Malocher in diesem Land fahren nicht am Wochenende an die Nordsee. Das Abitur ist kein Anspruch auf irgendwas. Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Ja ich weiß, Mansplaining und nicht hilfreich und ich wiederhole mich.

Sie kaufe nicht bei Rewe, sondern bei Aldi – und sie laufe rot an, wenn sie das erzählt.

Wenn ich meinen Grand Cru Classé kaufe, muss ich mich manchmal mit einem minderwertigen Jahrgang wie dem 1980er begnügen. Peinlich, ja, ich weiß.

An dieser Stelle bekomme ich zum ersten Mal einen dicken Hals. Und das ärgert mich, weil hoher Blutdruck die Lebenserwartung senkt, ich aber noch möglichst lange dabei zuschauen möchte, wie die nachwachsenden Generationen ein ehemals weltweit führendes Land zugrunde richten.

Daher wechsele ich kurz die Sprachebene: Du dumme [zensiert]! Mit welchem Abschaum pflegst Du Umgang, wenn Du Dich wegen des Einkaufs beim Aldi schämst? Wie blöd kann man sein? Auch (hehe, gerade!) Millionäre kaufen da ein. Wer bei gleicher Qualität nicht beim billigsten Anbieter kauft, ist ein Idiot. Und hat sich eventuelle Armut redlich verdient.

Sie bekomme den Unterschied besonders zu spüren, weil sie in einer anderen Umgebung sei.

Ja. Du bist was besonderes (so wie jeder andere auch). Generation Snowflake? Schaun wir mal: Inkompetenz? Check. Selbstüberschätzung? Check. Anspruchsdenken? Check.

Andere Studenten hätten [reichere] Eltern, die ihren Kindern etwas Gutes tun wollten und dies sich leisten könnten.

Du undankbares Stück [zensiert] (was ich schreiben wollte, ist Hatespeech™). Eltern sind nicht nicht dazu da, Dir ein gutes Leben zu verschaffen. Aufgabe der Eltern ist, Dein Überleben zu sichern, bis Du Dich selbst versorgen kannst (oder könntest). Deine Eltern habe ihre Aufgabe erfüllt, sonst könntest Du nicht mit 23 Jahren hier rumjammern. Andere haben in diesem Alter ihren Gesellenbrief oder ihr Diplom in der Tasche und/oder bereits eine Famiie gegründet.

Sie spüre, dass ihre Eltern nichts von Kursen oder Semesterferien wüssten, dass sie nie wirklich verstehen könnten, was ihr Kind gerade mache.

Und wieder wächst mein Halsumfang. Der Vater ist Tischler. Der kennt die Berufschule mit ihren Unterrichtsfächern. Der weiß, was Urlaub ist (und anders als Du, was Arbeit bedeutet). Und der soll nicht verstehen, was ein Kurs ist oder was Semesterferien sind? Was bildest Du Dir ein? (Ich wollte hier schreiben: Du aufgeblasenes Stück [zensiert]!, konnte mich aber noch einmal zurückhalten.)

Eine eigene Wohnung, das sei für eine Studentin in Hamburg natürlich teuer.

Das ist sie auch für die Malocher.

Sie wolle aber nicht mehr bei ihrer Mutter leben. Sie sehne sich nach Selbstständigkeit. In WGs aber fühlte sie sich nicht wohl.

Schneeflöckchen fühlt sich nicht wohl. Äwäähhhhh. Und schmeißt deshalb ihr Geld für eine überteuerte Wohnung aus dem Fenster, statt kostengünstig bei ihrer Mutter unterzukommen. Hint: Eltern freuen sich, wenn ihre Kinder daheim sind, Du könntest da sogar kostenlos Essen abgreifen.

Wenn sie sich für eine Sache entscheide, müsse sie bei anderen hart zurückstecken.

Nein! Doch! Ohhhhh! Welcome to Reality.

Sie habe sich schon mal Geld von ihrer besten Freundin geliehen.

Gewinn ist die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben. Wenn man die Ausgaben kleiner hält als die Einnahmen, braucht es keinen Kredit.

Ich hab natürlich gut reden, denn ich bin ein privilegierter weißer Mann. Ich habe einfach während des Studiums bei meinen Eltern gelebt. Und da auch gefuttert. Und eine Wohnung erst dann angemietet, als ich mit meinem Nebenjob genug verdiente.

Schulden zu machen fühle sich scheiße an.

Schulden machen ist scheiße. Unnötig Schulden machen ist noch scheißener.

Ihre Freundin könne sich ein Konzertticket oder den Mantel im Schaufenster leisten.

Dann kauf Dir für ein paar Kröten ne Klampfe oder sing im Chor. Oder geh zu den Generalproben der klassischen Orchester. Win/win: Du kommst kostenlos oder für wenige Euros rein, und die freuen sich, weil je mehr Zuhörer desto realistischer die Probe. Aber Schneeflöckchen ist ja anspruchsvoll und geht nur zu angesagten Konzerten.

Jetzt zum Mantel: den kauft man (vorausschauend und antizyklisch) im SSV oder WSV. Bei Chic&Anmut. (Sofern man bei diesem Gedanken nicht rot anläuft.) Und so man überhaupt einen (neuen) Mantel braucht. Denn wie dämlich müsste man sein, Plunder zu kaufen, der im Schaufenster hängt, nur weil der im Schaufenster hängt? Und das ohne Geld?

Ihre Eltern hätten sich einfach beschissen bezahlte Jobs ausgesucht.

Mein Blutdruck! Solche Zeilen verleiten dazu, die Wiedereinführung von Körperstrafen (vulgo: übers Knie legen) zu erwägen.

Ich reiß mich mal zusammen und schreibe nicht Du dumme Kuh!. Deine Eltern gehen ehrbaren Berufen nach, und es ist nicht deren Aufgabe, Deine Luxusbedürfnisse zu stillen!

Sie könne nicht mit ihrer Mutter shoppen gehen.

Ja. Shoppen gehen ist eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung. Und ein Menschenrecht.

Von ihrer Mutter habe Jana gelernt, wie man den Haushalt sauber halte, den Wocheneinkauf plane und mit Lebensmittel so umgehe, dass sie nicht verschwendet würden.

Was für ein hartes Schicksal! Was für eine herzlose Mutter!

Damit sie an Klassenfahrten teilnehmen konnte, habe ihre Mutter Überstunden gemacht.

Du [Anklicken und Beleidigung nach Wahl eintragen] solltest Deinen Eltern dankbar sein und sie nicht für die Wahl eines Dir nicht genehmen Berufes verurteilen.

Jana habe einen Eastpak-Rucksack haben wollen, aber keinen bekommen.

Ich würde an ihrer Stelle unverzüglich eine psychotherapeutische Beratung in Anspruch nehmen, denn Traumata dieser Dimension führen nur allzuleicht zu einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Sie studiere, um irgendwann mehr Geld zu verdienen als ihre Eltern, damit das Geld bei ihren Kindern keine so große Rolle spiele.

Und deshalb studiert sie irgendwas mit Menschen. Um mehr zu verdienen als ein Handwerker. LOL.

Ihre Freunde würden von den Headlinern der großen Festivals berichten können, die kosteten aber 200 Euro.

Und ich würde gerne mal ein Selfie beim Parabelflug machen. Der kostet aber 20.000€.

Wenn sie zu Hause am Handy sei, sehe sie online, was sie nicht habe. Sie wolle aber nicht auf Instagram verzichten. Das Gepose gebe ihr aber auch zu Hause das Gefühl, weniger zu haben.

Immer wenn ich mir mit dem Hammer gegen das Schienbein haue, tut das weh. Ich will aber nicht darauf verzichten, mir mit dem Hammer gegen das Schienbein zu hauen.

Sie sei froh, dass es Instagram und Facebook noch nicht gegeben habe, als sie zur Schule ging. Sie wisse nicht, wie sie dem Druck umgegangen wäre.

Wenn es nervt: Fenster auf. Schlaufon raus. Fenster zu.

Sie wolle ihren Kindern Lego-Raumschiffe kaufen können.

Ich bin noch heute schwer traumatisiert, weil ich ohne Lego-Raumschiff aufgewachsen bin. Dass ich dafür mit Schere und Kleber aus dünner Pappe eine 1m hohe Saturn 5 (mit Lunar-Modul!) basteln durfte, ist kein wirklicher Trost.

Wir leben in einem reichen Land, trotzdem sind viele arm.
Was machen wir falsch?

Wir leben in einer Welt mit unbegrenzten Bildungsmöglichkeiten.

Warum bleiben so viele so unfassbar dumm?

Nachtrag:

Bento sperrt zu. Und das ist auch gut so.