Drei Monate. Drei Tage.

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Eine Bekannte aus Japan brauchte einen neuen Pass.

Szene 1: der Pass

Sie fährt (ohne Termin) mit einem Passbild zum Konsulat, füllt zusammen mit einem Mitarbeiter ein Formular aus, bezahlt, und holt nach drei Tagen den Pass ab.

Nach drei Tagen.

Der Pass wird in Japan gedruckt und vermutlich mit Kurierdienst als Diplomatengepäck an das Konsulat geschickt.

Das ganze braucht drei Tage.

Drei Tage.

Szene 2: der Zettel

Da ihr Aufenthaltstitel (warum auch immer) die Passnummer enthält und diese sich geändert hat, braucht Sie einen neuen Aufenthaltstitel. Zuständig dafür ist das Ausländeramt. Und da kann man nicht einfach so hingehen. Dafür braucht es einen Termin.

  • Anrufen? Entweder es ist besetzt oder niemand geht ran.
  • Email? Keine Antwort.
    (Nachtrag: Email funktioniert doch. Antwort nach 3½ Wochen.)
  • Online? Fehlanzeige.

Termine gibt es nur persönlich. (Besser nicht darüber nachdenken. 🤪)

Also auf zum Ausländeramt.

Da weist nichts auf ein Amt hin. Zum Glück steht Sicherheitsmensch am Eingang:

Nein, das Ausländeramt ist umgezogen.
Wieso gibt es keinen Hinweis?
Doch, da drüben.

Der Hinweis entpuppt sich als ein Fetzen Papier, mit Klebestreifen an einem Fenster befestigt, offensichtlich mit Tintentröpfchendrucker gedruckt und vom Zahn der Zeit in Form der klimaerhitzten Sonne zur Unlesbarkeit ausgebleicht.

Naja, selber schuld, man hätte im Netz nachschauen können. Oder telefonisch nachfragen, höhö.

Szene 3: der Termin

Hinein ins Ausländeramt kommt man — natürlich — nur mit Termin. Deshalb reiht man sich in die Schlange ein, die auf dem Hof vor der Türe mäandriert, wartet, bis man dran ist, trägt seinem Wunsch dem Sicherheitsmenschen vor, der damit im Gebäude verschwindet und mit dem begehrten Termin wieder herauskommt.

Der nächstmögliche Termin ist in vier Wochen.

Vier Wochen warten auf einen Termin.

Vier Wochen.

Szene 4: die Lieferzeit

Die Bundesdruckerei, so ergibt die Nachfrage, braucht ab Termin noch mindestens sechs, eher acht Wochen für die Produktion der Karte.

Das sind zusammen drei Monate.

Drei Monate. Ein viertel Jahr.

5. Abspann

Der Besuch bei der Behörde verspricht noch viel Spaß, weil sich der Geburtsort im neuen Pass geändert hat. Ein Geburtsort ändert sich natürlich nicht, nur enthält ein japanischer Pass nicht den Geburtsort, sondern den Familien-Stammwohnsitz (本籍). Und der kann sich ändern. Auch wenn das selten passiert. Diese Eigenheit teilt der japanische Pass mit dem Schweizer Pass und dem schwedischen Pass. Wikipedia weiß das. Hoffentlich weiß das auch der Behördenmitarbeiter.

Und hoffentlich erlaubt die EDV eine Änderung des Geburtsortes (oder sind Karteikarten für eine Neuanlage des Datensatzes verfügbar).

Der persönliche Besuch wäre natürlich überflüssig. Denn die Stammdaten sind vorhanden, es braucht also nur den neuen Pass, per Video-Ident (ja, ich weiß), als Scan oder Photo online hochgeladen (ja, ich weiß) oder als vom Konsulat gefaxte [scnr] Kopie, wenn die Behörde dem Passbesitzer nicht vertraut.

3 Monate. 3 Tage.

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