Springe zu: Hauptmenue, Stichwörter nach Anfangsbuchstaben.

Schluss mit dem Leben gegen die Natur - Aus der Nahrungskrise in die Öko-Wende?

Gedopte Schweine, BSE-verseuchte Rinder, Tiertötungen in unvorstellbarem Ausmaß - geschockt, verunsichert und hilflos reagieren wir auf die unappetitlichen und grausamen Entwicklungen der letzten Wochen. Plötzlich werden auch andere Gefahren wieder hochsensibel registriert. Der Klimagipfel scheiterte, wenig später erfahren wir wieder einmal, dass sich das Klima noch rasanter verändert als bisher angenommen. Die Katastrophen überschlagen sich. Sind wir jetzt endgültig an einem Wendepunkt angekommen? Auf den GAU beim Essen reagiert die Politik prompt: Ministerköpfe rollen, Ministerien werden neu geschaffen, ein ganzer Industriezweig soll ökologisch umgebaut werden. Spricht hieraus tatsächlich ein Wille zur Veränderung oder ist das Ganze eine schnelle Aktion zur Befriedung der Verbraucher? Und warum muss die Gefahr erst auf den Tellern landen, damit wir aufgerüttelt werden? Wollen wir Verbraucher denn überhaupt die Öko-Wende oder sind uns kurze Wege und niedrige Preise auf Dauer wichtiger als gesunde und artgerecht erzeugte Nahrung? Werden auch diesmal die Bequemlichkeit und die scheinbar unbegrenzte Kunst im Verdrängen von unangenehmen Wahrheiten siegen oder ändern wir unser Denken und Verhalten nachhaltig? Wollen wir, können wir wieder zurück zur Natur? Über diese Fragen diskutiert Wieland Backes mit seinen Gästen: Carl Amery: Der streitbare Katholik setzt sich schreibend und handelnd seit über 30 Jahren gegen Umweltzerstörung und für die Bewahrung der Schöpfung ein. Er kandidierte unter anderem für die "Grünen" und mischte sich auch als PEN-Vorsitzender stets in die Politik ein. Die BSE-Krise wie die massenhafte Tötung von Rindern sind für ihn Folge und Auswuchs eines ungehemmten Kapitalismus, schaffen vielleicht aber auch eine Chance zum Umdenken und Neubeginn. Berhard Michael Huber: Für den Vorstands-Vorsitzenden von Kraft Foods Deutschland/Österreich (besser bekannt unter dem alten Namen Suchard, Kraft, Jacobs), gibt es keine Nahrungskrise und auch kein Zurück zur Natur: Gerade weil so vieles heute industriell erzeugt wird, glaubt er: "Wir haben gesündere Lebensmittel denn je, denn wir wussten noch nie so viel über Nahrungsmittel wie heute." Johann Lafer: Dem Fernseh- und Sternekoch kommen industriell gefertigte Lebensmittel nicht in den Kochtopf. Er bezieht alle Zutaten für seine Genießerküche bei Bauern und Händlern seines Vertrauens. Industrie und Handel sind in seinen Augen die Hauptschuldigen im BSE-Skandal, aber auch der Verbraucher ist verantwortlich: "Der muss erkennen, dass Qualität ihren Preis hat. In Zukunft müssen die Leute mehr Geld ausgeben und die Ernährung ändern." Hiltrud Schröder: Die Ex-Frau von Bundeskanzler Gerhard Schröder macht es wütend, wenn der Verbraucher zum Hauptschuldigen in einem Skandal gemacht wird, den die Politik zu verantworten hat. Als Verbraucherin will die Mutter von zwei Töchtern sicher sein, dass die Lebensmittel, die sie einkauft, unbelastet sind. Aus seiner ethischen Verantwortung möchte sie jedoch den einzelnen nicht entlassen. Sie selbst hat schon vor Jahren die Konsequenz aus ihrem Wissen um die Massentierhaltung gezogen und ist Vegetarierin geworden. Wilhelm Niemeyer: Der niedersächsische Landvolk- und Vizepräsident des deutschen Bauernverbands ist ein Massenproduzent von Schweinefleisch. Er hat den elterlichen Hof zum Großmastbetrieb rationalisiert, der von nur einem Mitarbeiter geführt wird. Sein Credo als Verbandsfunktionär und als Bauer: "Es gibt keine Alternative zur konventionellen Landwirtschaft, nur die Qualitätskontrollen müssen besser werden." Josef Braun: Sein Weg vom aufstrebenden Junglandwirt mit Rekord-Ernteergebnissen zum engagierten Öko-Bauern war lang und nicht ohne Rückschläge. Heute aber ist er überzeugt: "Ökologische Landwirtschaft hat nichts mit Nostalgie zu tun, es ist eine Lebenseinstellung, die in jede Zeit gehört, und könnte ein Modell für die gesamte Landwirtschaft sein." An der Bar: Doris Härle und ihr Mann haben über fünf Jahre lang nach den strengen Richtlinien des Herkunfts-und Qualitätszeichens Baden-Württemberg Fleisch und Getreide produziert. Verantwortungsvolle Futterauswahl und unangemeldete Kontrollen waren für sie selbstverständlich. Doch nun ist es passiert: Eines ihrer Rinder war, trotz aller Wachsamkeit, an BSE erkrankt und der gesamte Viehbestand von 270 Tieren wurde getötet. Nun stehen sie und ihr Mann vor dem Nichts.

  1. 09.02.2001 21.45, SWR, Nachtcafé
  2. 10.02.2001 15.15, SWR, Nachtcafé
HTML · CSS · über den Rathgeber