Springe zu: Hauptmenue, Stichwörter nach Anfangsbuchstaben.

Wie wir wurden, was wir sind

Der eine wird mit dem goldenen Löffel im Mund geboren und landet auf der schiefen Bahn, der andere wächst als Vollwaise im Heim auf und bringt es bis zum Vorstand eines Automobilkonzerns. Warum ist der eine ein Stehaufmännchen, auch wenn ihm scharfer Gegenwind ins Gesicht bläst, warum gedeiht der andere nur bei Rückenwind? Die Erklärungsversuche solcher Biographien sind vielfältig - aktuelle Studien räumen mit der bisherigen Sichtweise auf, dass unsere Gene unser Leben bis ins Kleinste vorbestimmen. Wissenschaftler fanden heraus, dass wir durch unseren Lebensstil viel mehr Einflussmöglichkeiten auf unsere Persönlichkeit haben als bisher angenommen. Ist es möglich, dass wir unser Erbgut quasi selbst steuern können? Welche Rolle spielt überhaupt die Herkunft für die weiteren Lebenslinien? Ist die Kindheit ein Schicksal, dem man also doch entrinnen kann? Darüber diskutiert Wieland Backes am 23. April 2010 mit seinen Gästen im SWR Fernsehen, u.a. mit dabei der Berliner Designer und Fashion-Papst Michael Michalsky. Michael Michalsky gilt als Popstar unter den Modedesigner, doch sein Weg vom norddeutschen Provinzdorf in die glamourösen Modemetropolen war oft steinig. "Die Kunst besteht darin, nach einer Niederlage wieder aufzustehen", sagt der Wahl-Berliner, der nach elf Jahren als Kreativ-Direktor von adidas 2006 sein eigenes Mode-Label für luxuriösen Lifestyle gründete. "So etwas schafft man nur mit Mut, nicht mit Angst im Nacken!" Evelyn Heeg war keine 30 Jahre alt, als sich die völlig gesunde Frau wegen eines vererblichen Gendefekts beide Brüste amputieren ließ. "Meine Mutter, zwei Tanten und eine Großtante starben jung an Brustkrebs, dieses Schicksal drohte auch mir zu 80 Prozent", erklärt die Lehrerin ihren doch sehr radikalen und nicht unumstrittenen Schritt. Heeg aber betont: "Heute lebe ich angstfrei, das ist für mich echte Lebensqualtät!" Für Peter Sporck hingegen gibt es kein unverrückbares genetisches Erbe. "Durch Umwelteinflüsse wie gesunde Ernährung oder einen positiven Lebensstil entscheidet der Mensch selbst über sein weiteres Leben - und damit auch darüber, ob genetisch bedingte Krankheiten wie Depressionen oder Krebs tatsächlich auch ausbrechen", sagt der promovierte Neurobiologe und Experte für den noch jungen Wissenschaftsbereich der sogenannten Epigenetik. Als falscher Arzt narrte Christian Ehret 14 Monate lang das Uni-Klinikum Erlangen. Der gelernte Bankkaufmann assistierte bei rund 190 Operationen - und flog nach einem anonymen Hinweis auf. "Ich wollte mir das Leben nehmen, alles wurde mir genommen", so der 31-Jährige. Jetzt aber büffelt er für das Abitur und will regulär Medizin studieren. "Meine Mutter hat mir immer gesagt, ich sei für diesen Beruf nicht geboren. Jetzt beweise ich das Gegenteil", sagt Ehret, der gegen das Urteil zu dreieinhalb Jahren Haft Revision eingelegt hat. Und auf Milde hofft. Waltraud Bielefeldts Vater war ein ortsbekannter Alkoholiker, ihre Kindheit war geprägt durch Krankheiten und Armut. "Mit 17 wurde ich schwanger, ich floh in eine Ehe - doch ich litt Jahrzehnte lang unter schwersten Depressionen", sagt die dreifache Mutter. Erst als sie ihre eigenen Wurzeln akzeptierte, fand sie die Kraft, ihre Medikamente abzusetzen. Mit 60 bestand sie die Prüfung zur Heilpraktikerin - und hilft heute anderen Menschen mit einer ähnlichen Lebensgeschichte. Für Maik Wunder ging es immer nur aufwärts. Er studierte Physik und Informatik in Deutschland und den USA, verdiente glänzend als Computer-Experte und wohnte ganzjährig in den besten Hotels. Ausgebrannt vom Kampf im Job begann der abrupte Abstieg über Nacht - letztlich bis zur Obdachlosigkeit. "Einst sammelte ich Luxusuhren für 25000 Euro, dann Pfandflaschen für ein paar Zigaretten", sagt Wunder und wundert sich über seinen Abstieg. "Vielleicht hatte ich es als Kind zu gut und habe nicht gelernt, mich besser durchzusetzen." Elisabeth Stenmans hat zwei leibliche Kinder und 32 Adoptivkinder aus zumeist desolaten Verhältnissen. Und jedem ihrer Kinder möchte die sozial engagierte Fabrikantentochter eine möglichst behütete Kindheit bescheren, denn das sei das wichtigste Fundament für eine bestmögliche Startchance ins Leben. "Letztlich entscheidet aber das Talent, was aus einem Kind wird. Ob Fußballer, Musiker oder Doktor", sagt die studierte Kinder- und Jugendpsychotherapeutin.

  1. 23.04.2010 22.00, SWR, Nachtcafé
  2. 24.04.2010 12.20, SWR, Nachtcafé
HTML · CSS · über den Rathgeber