Echte Programmierer meiden PASCAL

(Aus DATAMATION 7/83, übersetzt durch Bernd Leeds)

Vor langer Zeit, in der Goldenen Ära der Computer, war es noch einfach, die Männer von den Memmen zu trennen (mitunter auch "Echte Männer" und "Müsli-Fresser" genannt). Echte Männer programmierten Computer, und Müsli-Fresser ließen es bleiben. Ein echter Computer-Programmierer sagte Dinge wie "DO 10 I=1,10" oder "ABEND", und der Rest der Welt quengelte Computer sind mir zu kompliziert oder Ich kann zu Computern keine gefühlsmäßige Bindung aufbauen - sie sind zu unpersönlich.

Dabei zeigte schon Remy Eyssens Buch "Echte Männer mögen kein Müsli" (Heine TB 6290), dass echte Männer zu nichts und niemandem ein gefühlsmäßige Bindung aufbauen, und dass sie auch keine Angst haben, unpersönlich zu sein.

Aber die Zeiten ändern sich. Heute stehen wir einer Welt gegenüber, in der kleine alte Damen vollcomputerisierte Mikrowellenherde kaufen können, in der 12 Jahre alte Dreikäsehochs gestandene Männer bei ASTEROIDS und PACMAN sattmachen, und der jeder seinen eigenen Heimcomputer kaufen und sogar verstehen kann. Der Echte Programmierer ist gefährdet, von Studenten mit einem igITT 2020 (deutsche Version des ABFALL-II, Anm. d. Ü.) im Gepäck ersetzt zu werden!

Es gibt allerdings einige Unterschiede zwischen dem typischen PACMAN-spielenden Gymnasiasten und einem Echten Programmierer. Die Kenntnis dieser Unterschiede wird dem Heranwachsenden ein Ziel geben, nach dem sie streben können - ein Vorbild, eine Vaterfigur. Außerdem schützt sie die Echten Programmierer vor der Arbeitslosigkeit.

Der einfachste Weg, um einen Echten Programmierer zu erkennen, führt über die von ihm benutzte Programmiersprache.

Echte Programmierer benutzen FORTRAN. Müsli-Fresser benutzen Pascal. Niklaus Wirth, der Schöpfer von Pascal, wurde einmal gefragt, wie man seinen Namen ausspreche. You can either call me by name, pronouncing it `Veert', or call me by value, `worth', antwortete er. Diese Bemerkung zeigt sofort, dass Wirth ein Müsli-Fresser ist. Der einzige Parameterübergabe-Mechanismus, den Echte Programmierer akzeptieren, ist call-by-value-return (call-by-result, Anm. d. Ü.), wie er in den IBM/370 FORTRAN-G- und -H-Compilern implementiert ist. Echte Programmierer brauchen schließlich keine abstrakten Konzepte; sie sind vollkommen glücklich mit einem Lochkartenstanzer, einem FORTRAN-IV-Compiler und einem Bier. Echte Programmierer erledigen Listenverarbeitung, Zeichenketten-Manipulationen, Abrechnungswesen (wenn überhaupt) und künstliche Intelligenz in FORTRAN. Was sie mit FORTRAN nicht machen können, machen sie mit Assembler. Was sie mit Assembler nicht machen können, lassen sie verächtlich liegen.

Akademische Computerspezialisten sind in den letzten Jahren aufs Abstellgleis der Strukturierten Programmierung geraten. Sie behaupten, dass Programme verständlicher werden, wenn bestimmte Sprachkonstrukte und Programmiertechniken benutzt werden. Sie können sich natürlich nicht einigen, welche Konstrukte am besten geeignet sind, und die Beispiele, an denen sie ihren speziellen Standpunkt aufzeigen wollen, passen ausnahmslos auf eine Seite irgendeines obskuren Journales. Als ich aus der Schule kam, dachte ich, ich sei der beste Programmierer der Welt. Ich konnte ein unschlagbares TIC-TAC-TOE-Spiel schreiben, beherrschte fünf verschiedene Programmierspreachen und schrieb fehlerfreie 1000-Zeilen-Programme. Dann kam ich in die Wirklichkeit: meine erste Aufgabe bestand darin, ein 200000-Zeilen FORTRAN-Programm zu lesen, zu verstehen und um den Faktor 2 zu beschleunigen. Jeder Echte Programmierer wird einem versichern, dass die gesamte Strukturierte Programmierung der Welt in einem solchen Fall nicht hilft - hier braucht man wirklich Talent.

Einige Beobachtungen zum Thema "Echte Programmierer und Strukturierte Programmierung":

  • Echte Programmierer haben keine Angst vor GOTOs.
  • Echte Programmierer schreiben 5 Seiten lange DO-Schleifen, ohne durcheinander zu geraten.
  • Echte Programmierer lieben arithmetische IF-Statements (die mit den 3 Ausgängen, Anm. d. Ü.), weil sie den Code interessanter machen.
  • Echte Programmierer schreiben selbstmodifizierende Programme, speziell wenn sie damit in eine kleinen Schleife 20 Nanosekunden einsparen können.
  • Echte Programmierer brauchen keine Kommentare: das Programm ist selbstdokumentierend.
  • Da FORTRAN strukturierte IF-, REPEAT..UNTIL- oder CASE-Anweisungen nicht kennt, braucht sich der Echte Programmierer nicht zu sorgen, dass er sie nicht benutzt. Außerdem kann man sie nötigenfalls über "Assigned GOTOs" (Zuweisung eines Sprunglabels auf eine Variable, Anm. d. Ü.) simulieren.

Auch Datenstrukturen waren in letzter Zeit in der Diskussion. Abstrakte Datentypen, Records, Pointer, Listen und Zeichenketten sind in gewissen Kreisen populär geworden.

Wirth, der Müsli-Fresser, verfaßte sogar ein ganzes Buch (Algorithmen und Datenstrukturen, Teubner 1975), in dem er behauptete, dass man Programme schreiben könne, die auf Datenstrukturen aufbauen, statt es umgekehrt zu machen. Wie jeder Echte Programmierer weiß, gibt es nur eine wirklich nützliche Datenstruktur, das Array. Zeichenketten, Listen, Records und Mengen sind allesamt Sonderfälle von Arrays und können auch so behandelt werden, ohne dadurch die Sprache zu verkomplizieren. Das schlimmste an den ganzen schönen Typen ist außerdem, dass man sie deklarieren muß, während Echte Programmiersprachen, wie man weiß, den Typ anhand des ersten Buchstaben eines maximal 6 Zeichen langen Bezeichners implizit festlgen.

Welches Betriebssystem der Echte Programmierer benutzt?

CP/M? Gott bewahre! Das ist doch im Grunde ein Spielzeug-Betriebssystem. Selbst kleine alte Damen und Hauptschüler können CP/M benutzen und verstehen.

UNIX ist natürlich schon viel komplizierter - der typische UNIX-Hacker weiß nie, wie das PRINT-Kommando diese Woche heißt - aber wenn man es genau nimmt, ist UNIX auch nur ein verherrlichtes Telespiel. Niemand arbeitet auf UNIX-Systemen an ernstzunehmenden Dingen - man schickt kleine Witzchen über USENET rund um die Welt, oder schreibt ein neues Adventure-Game oder Forschungsberichte.

Nein, der Echte Programmierer benutzt OS/370. Ein guter Programmierer kann die Beschreibung des Fehlers IJK305I in seinem JCL-Manual finden und verstehen. Ein großartiger Programmierer kann JCL schreiben, ohne je das Manual zu sehen. Ein wahrhaft außerordentlich guter Programmierer kann Fehler in einem 6-Megabyte-Hexdump finden, ohne einen Taschenrechner zu benutzen.

OS/370 ist wirklich ein bemerkenswertes Betriebssystem. Mit einem einzigen falsch plazierten Leerzeichen kann man die gesamte Arbeit mehrerer Tage zerstören, was die Wachsamkeit im Programmierteam ungemein fördert. Der beste Weg zum System ist der Kartenstanzer. Zwar behaupten einige Leute, es gäbe ein Timesharing-System unter OS/370, aber nach sorgfältigen Nachforschungen bin ich zu dem Schluß gekommen, dass sie sich irren.

Welche Werkzeuge ein Echter Programmierer benutzt?

Nun, theoretisch kann er seine Programme über die Maschinenkonsole eingeben und laufen lassen. In den frühen Tagen der Computerei, als Computer noch Maschinenkonsolen hatten, wurde dies auch getan. Der typische Programmierer wußte den Systemurlader Bit für Bit auswendig und tastete ihn ein, sobald er von seinem Programm zerstört worden war. Damals war Speicher auch noch Speicher - der war nicht einfach leer, wenn der Strom ausfiehl. Hauptspeicher von heute hingegen vergessen entweder Dinge, die sie behalten sollen, oder halten Informationen, die schon lange weg sein sollten. Aber zurück zum Thema. Die Legende sagt, dass Seymour Cray, der Erfinder des Cray-I-Supercomputers und der meisten anderen Rechner von Control Data, selbst das erste Betriebssystem für die CDC 7600 an der Maschinenkonsole eingetastet hat, als sie das erste Mal eingeschaltet wurde. Cray ist selbstverständlich ein Echter Programmierer.

Einer der Programmierer, die ich am meisten bewundere, arbeitet als Systemprogrammierer für Texas Instruments. Eines Tages erhielt er ein Ferngespräch von einem Benutzer, dessen System mitten in einer wichtigen Arbeit abgestürzt war. Dar Typ reparierte dann den Schaden über's Telefon. Er brachte den Benutzer dazu, an der Maschinenkonsole Disk-I/O-Instruktionen einzutasten, Systemtabellen in hexadezimal zu reparieren und Registerinhalte über's Telefon durchzugeben. Die Moral von der Geschichte: obwohl ein Echter Programmierer normalerweise Kartenlocher und Schnelldrucker benutzt, kommt er im Notfall auch mit Maschinenkonsole und Telefon aus.

In einigen Firmen besteht die Programmeingabe allerdings nicht mehr aus zehn schlangestehenden Ingenieuren, die auf einen 029-Locher warten. In meiner Firma zum Beispiel steht kein einziger Kartenlocher. Der Echte Programmierer muß in diesem Fall seine Arbeit mit einem Texteditor erledigen. Auf den meisten Rechnern stehen verschiedene Editoren zur Verfügung, und der Echte Programmierer muß aufpassen, dass er einen erwischt, der seinen persönlichen Stil wiedergibt. Viele Leute glauben, dass die besten Editoren der Welt am Xerox Palo Alto Research Center geschrieben wurden und auf Alto- oder Dorado-Computern laufen. Unglücklicherweise würde jedoch kein Echter Programmierer einen Computer mit einem Betriebssystem benutzen, das Smalltalk (Geplapper, Anm. d. Ü.) heißt, und sicherlich auch nicht über eine Maus mit einem Rechner kommunizieren.

Einige Konzepte der Xerox-Editoren sind mittlerweilen in Editoren eingeflossen, die unter sinnvoller benannten Betriebssystem arbeiten. so wie EMACS und VI. Das Problem mit diesen Editoren ist, dass Echte Programmierer das Konzept des Du bekommst, was du siehst für schlecht halten. Der Echte Programmierer will einen Du hast es so gewollt, da hast Du's-Editor, einen, der kompliziert ist, kryptisch, leistungsfähig, gnadenlos und gefährlich. TECO, um genau zu sein.

So wurde beobachtet, dass TECO-Kommandofolgen dem Leitungsrauschen ähnlicher sind als lesbarem Text. Eins der unterhaltsameren Spiele, die mit TECO möglich sind, besteht darin, den eigenen Namen als Kommando einzugeben und zu raten, was dann passiert. So ungefähr jeder mögliche Tippfehler kann dank TECO das gerade editierte Programm zerstören, oder schlimmer noch, kann kleine mysteriöse Fehler in einstmals funktionierende Unterprogramme einbringen.

Aus diesem Grund editieren Echte Programmier nur sehr widerwillig Programme, die schon fast laufen. Sie finden es viel einfacher, den binären Objektcode direkt zu ändern, für gewöhnlich mit einem wundervollen Programm, das SUPERZAP heißt (auf Nicht-IBM-Rechnern entsprechend anders). Dies funktioniert so gut, dass viele laufenden Programme auf IBM-Systemen keine Ähnlichkeit mit den ursprünglichen FORTRAN-Quellprogramm haben . In einigen Fällen ist nicht einmal das Quellprogramm vorhanden. Wenn dann der Zeitpunkt gekommen ist, ein Programm zu ändern, würde kein Manager auch nur daran denken, einem geringeren als einem Echten Programmierer diese Arbeit zu übertragen - kein Müsli-fressender Strukturierter Programmierer wüßte auch nur, wo er mit der Arbeit anfangen sollte. Man nennt das Arbeitssicherungsmaßnahme.

Hier eine Liste der wichtigsten Programmierhilfen, die der Echte Programmierer nicht benutzt:

  • FORTRAN-Präprozessoren wie MORTRAN oder RATFOR. Diese Haute Cuisine der Programmierung eignet sich hervorragend, um Müsli zu produzieren.
  • Quellcodeorientierte Debugger. Echte Programmierer lesen Hexdumps.
  • Compiler, die Code für Array-Indexprüfung zur Laufzeit erzeugen. Sie ersticken jede Kreativität, zerstören die meisten der interessanteren Anwendungen der EQUIVALENCE-Vereinbarung, und machen Änderungen am Betriebssystem mit Hilfe negativer Indizes unmöglich. Und schlimmer noch, solcher Code ist ineffizient.
  • Programm-Pflege-Systeme. Ein Echter Programmierer hält seine Software als Kartenstapel unter Verschluß, denn dies zeigt, dass der Besitzer seine wichtigen Programme nicht unbewacht lassen kann.

Wo der typische Echte Programmierer arbeitet?

Welche Art von Programmen derart talentierter Individuen würdig ist? Nun, man kann sicher sein, dass man nie einen Echten Programmierer beim Schreiben von Buchhaltungsprogrammen in COBOL erwischen wird, oder gar beim Sortieren von Abbonentenadressen des SPIEGEL. Nein, ein Echter Programmierer braucht Aufgaben von weltbewegender Bedeutung.

Echte Programmierer arbeiten für das Los Alamos National Laboratory und schreiben dort Atomkriegs-Simulationen auf Cray-I-Supercomputern, oder sie arbeiten bei der National Security Agency und entschlüsseln russische Funksprüche. Nur weil tausende Echter Programmierer für die NASA gearbeitet haben, waren "unserer Jungs" eher auf dem Mond als die Kosmonauten. Die Computer im Space Shuttle wurden von Echten Programmierern programmiert, und auch die Betriebssystem der Cruise Missiles der Firma BOEING wurden von diesen echten Professionals entworfen.

Einige der ehrfurchteinflößendsten Echten Programmierer arbeiten im Jet Propulsion Laboratory in Kalifornien. Viele von ihnen kennen das gesamte Betriebssystem der Pioneer- und Voyager-Sonden auswendig. Mit einer Kombination aus großen, bodengebundenen FORTRAN-Programmen und kleinen, von den Sonden mitgeführten Assemblerprogrammen vollbringen sie unglaubliche Kunststücke der Navigation und Improvisation. So treffen sie nur 10 Kilometer große Fenster nahe Saturn nach 6 Jahren Flug durch den Weltraum, oder reparieren bzw. umgehen defekte Sensoren, Sender oder Batterien. Angeblich soll es einem Echten Programmierer sogar gelungen sein, in ein paar hundert Byte unbenutzten Speichers innerhalb der Voyager-Sonde ein Mustererkennungsprogramm zu pressen, das einen neuen Mond des Jupiters suchte, fand und photographierte.

Für die Galileo-Sonde ist vorgesehen, dass sie auf ihrem Weg zum Jupiter entlang einer schwerkraftgelenkten Bahn am Mars vorbeizieht. Diese Bahn führt in einer Entfernung von 80±3 km an der Marsoberfläche vorbei. Kein Mensch würde diese Art der Navigation einem Pascal-Programm oder gar -Programmierer anvertrauen.

Viele der Echten Programmierer dieser Welt arbeiten für die amerikanische Regierung, meist für das Verteidigungsministerium. So soll es sein. In letzter Zeit erscheinen dunkle Wolken am Horizont der Echten Programmierer. Es scheint, als hätten einige einflußreiche Müsli-Fresser im Verteidigungsministerium entschieden, dass in Zukunft alle Verteidigungsprogramme in so einer Art von großer, vereinheitlichter Programmiersprache namens ADA geschrieben werden müßten. Lange Zeit schien es, als läge ADAs Bestimmung im Verstoß gegen alle Regeln der Echten Programmierung. Es ist eine Sprache mit Strukturen, Datentypen, strenger Typenbindung und Semikolons. Kurz, sie ist wie geschaffen, um die Kreativität des typischen Echten Programmierer zu verkrüppeln.

Glücklicherweise hat die jetzt vom DoD ausgewählte Sprache noch genügend interessante Eigenschaften, um dem Echten Programmierer eine Annäherung zu ermöglichen: sie ist unglaublich komplex, sie enthält Möglichkeiten, mit dem Betriebssystem herumzumachen und Speicherbereiche neu zu verteilen, und Edgar Dijkstra mag sie nicht. Dijkstra ist, wie man wissen sollte, der Autor von GOTO Considered Harmfull, einem Meilenstein der Programmiermethodologie, die von Pascal-Programmierern und Müsli-Fressern gleichermassen bewundert wird. Und außerdem, ein zu allem entschlossener Echter Programmierer kann in jeder Sprache FORTRAN-Programme schreiben.

Der Echte Programmierer kann allerdings auch Kompromisse in Bezug auf eine Prinzipien eingehen und an etwas geringeren Aufgaben als der Vernichtung des Lebens arbeiten, sofern er dafür entsprechend bezahlt wird. Echte Programmierer schreiben z.B. Videospiele für Atari, allerdings spielen sie nicht damit. Ein Echter Programmierer weiß, wie er die Maschine jedesmal schlagen kann, und damit ist es keine Herausforderung mehr. Jeder bei Lucas-Film ist ein Echter Programmierer, denn es wäre doch verrückt, das Geld von 50 Millionen STAR-WARS-Fans auszuschlagen.

Der Anteil der Echten Programmierer im Bereich der Computer-Graphics ist etwas niedriger als anderswo, was wahrscheinlich daran liegt, dass noch niemand irgendeinen Nutzen der Computer-Graphics entdeckt hat. Andererseits werden Computer-Graphic überwiegend in FORTRAN abgehandelt, daher gibt es einige Leute, die so das Schreiben von COBOL-Programmen vermeiden.

Im Allgemeinen spielt der Echte Programmierer, wie er arbeitet - mit Computern. Es ist ständig darüber erheitert, dass sein Arbeitgeber ihn tatsächlich für etwas bezahlt, was er nur so zum Spaß sowieso tun würde - allerdings achtet er darauf, diese Meinung nicht zu laut zu äussern. Gelegentlich kommt der Echte Programmierer auch aus seinem Büro heraus, um sich ein wenig frische Luft und ein oder zwei Bierchen zu genehmigen. Daher hier einige Hinweise, wie man den Echten Programmierer auch außerhalb des Computerraums erkennt:

  • Auf Parties stehen Echte Programmierer in einer Ecke und diskutieren über Sicherheitsmechanismen von Betriebssystemen, und wie man herumprogrammiert.
  • Bei Fußballspielen vergleicht der Echte Programmierer die Ergebnisse mit seinen auf grünliniertem Leporello-Papier gedruckten Computer-Simulationsergebnissen.
  • Am Strand zeichnet der Echte Programmierer Flußdiagramme in den Sand.
  • Ein Echter Programmierer geht in die Disko, um sich die Lichtorgel anzusehen.
  • Bei Begräbnissen sagt der Echte Programmierer typischerweise Armer Hans-Helmut. Er war mit seinem Sortierprogramm schon fast fertig, als ihn der Herzinfarkt erwischt hat.
  • Im Supermarkt besteht der Echte Programmierer darauf, seine Bierdosen selbst über das Fenster des Strichcodelesers zu schieben, weil er keinem Kassierer zutraut, dies beim ersten Versuch richtig zu machen.

In welcher Umgebung der Echte Programmierer am besten funktioniert?

Nun, das ist eine sehr wichtige Frage für die Manager von Echten Programmierern. Wenn man bedenkt, wie teuer es ist, einen von Ihnen in Betrieb zu halten, dann sollte man ihn oder sie in eine optimale Arbeitsumgebung versetzen.

Der typische Echte Programmierer lebt vor einem Computerterminal. Rund um dieser Terminal liegen Ausdrucke von jedem Programm, an dem er je gearbeitet hat; sie stapeln sich grob chronologisch geordnet auf jeder ebenen Fläche des Büros. Im Zimmer gut verteilt finden sich über ein Dutzend mit kaltem Kaffee mehr oder weniger gefüllte Tassen. Gelegentlich schwimmen Zigarettenkippen darin herum, in einigen Fällen auch Reste von Orangenschalen. Irgendwo liegen Kopien des OS JCL Manuals und der "Principles of Operation" an einer besonders interessanten Stelle aufgeschlagen herum, außer bei extrem guten Leuten. An der Wand klebt ein Schnelldrucker-Kalender mit Snoopy darauf aus dem Jahr 1969. Über den Boden verteilt liegen Reste der Verpackungen von gefüllten Keksen (der Typ, der schon in der Fabrik so furztrocken gebacken wird, dass er auch bei längerem Liegen im Automaten nicht schlechter wird). Schließlich, in der linken, oberen Schublade des Schreibtischs, unter der Schachtel mit den Muntermachern, liegt eine Schablone für Flußdiagramme, die sein Vorgänger dort vergessen hat. Echte Programmierer schreiben Programme und keine Dokumentation. Des überläßt man den Typen von der Wartung.

Der Echte Programmierer ist in der Lage, 30, 40, ja sogar 50 Stunden in einem Rutsch zu arbeiten, und das unter hohem Zeitdruck. Genaugenommen mag er es so am liebsten. Schlechte Antwortzeiten regen den Echten Programmierer nicht auf - sie geben ihm eine Chance, zwischen zwei Kommandos ein bißchen Schlaf zu ergattern. Wenn die Planung nicht genügend Zeitdruck bereithält, dann tendiert der Echte Programmierer dazu, seine Arbeit herausfordernder zu machen, indem er sich die ersten neun Wochen mit einem kleinen, aber sehr interessanten Teil des Problems befaßt, um dann in der letzten Woche seine Aufgabe in zwei oder drei 50-Stunden Marathonsitzungen zu beenden. Dies beeindruckt nicht nur den Manager, sondern schafft gleichzeitig eine hervorragende Entschuldigung für das Fehlen der Dokumentation. Und überhaupt: kein Echter Programmierer arbeitet von 9 bis 5, außer denen von der Nachtschicht. Echte Programmierer tragen keine Schlipse. Echte Programmierer tragen keine hochhackigen Schuhe. Echte Programmierer kommen zur Arbeit, wenn andere zum Mittagessen gehen. Ein Echter Programmierer vergißt vielleicht den Vornamen seiner Angetrauten, aber niemals den Inhalt der gesamten ASCII- (bzw. EBCDIC-) Tabelle. Echte Programmierer können nicht kochen. Da Supermärkte um 3 Uhr morgens selten geöffnet sind, müssen sie sowieso von Kaffee und Keksen leben.

Die Zukunft der Echten Programmierer

Die Zukunft betrachtend machen sich eine Reihe von Echten Programmierern Sorgen, dass die jüngste Programmierergeneration nicht mehr mit der gleichen Lebensperspektive aufwächst wie sie selbst. Viele der jüngeren haben noch nie einen Computer mit einer Maschinenconsole gesehen. Kaum ein Schulabgänger kann heute noch hexadezimal rechnen, ohne einen Taschenrechner zu benutzen. Die Studenten von heute sind weich, geschützt von den Realitäten der Programmierung durch symbolische Debugger, Texteditoren, die Klammern zählen, und benutzerfreundliche Betriebssysteme. Und das schlimmste ist, einige dieser angeblichen Computer-Spezialisten kommen zu Rang und Namen, ohne je FORTRAN zu lernen. Sind wir dazu verdammt, eine Industrie von UNIX-Hackern und Pascal-Programmierern zu werden?

Nun, aus meiner Erfahrung heraus glaube ich, behaupten zu dürfen, dass das Schicksal den Echten Programmierern wohlgesonnen ist. Weder OS/370 noch FORTRAN zeigen irgendwelche Symptome des Aussterbens, trotz aller Anstrengungen der Pascal-Programmierer. Selbst subtilere Tricks wie das Hinzufügen strukturierter Schleifen zu FORTRAN sind fehlgeschlagen. Sicher, einige Computerhersteller liefern FORTRAN-77 Compiler, aber jeder einzelne von ihnen läßt sich über eine einzige Compiler-Option in einen FORTRAN-66-Compiler verwandeln - mit DO-Schleifen, wie von Gott geschaffen.

Selbst UNIX scheint für den Echten Programmierer nicht mehr so schlecht zu sein wie früher. Die neueste UNIX-Version hat das Potential eines Betriebssystems, das eines Echten Programmierers würdig ist. Sie hat zwei verschiedene, leicht inkompatible Benutzerschnittstellen, einen geheimnisvollen und komplizierten Teletype-Treiber und virtuellen Speicher. Und wenn der Echte Programmierer die Strukturierung ignoriert, kann er sich sogar mit C anfreunden. Schließlich gibt es keine Typenbindung, Bezeichner sind sieben (Zehn? Acht?) Zeichen lang, und man hat Zeiger als Bonus. Das ist als hätte man die besten Teile von FORTRAN und Assember vereinigt, von den kreativeren Möglichkeiten des #define ganz zu schweigen.

Nein, die Zukunft ist nicht völlig schlecht. So hat sich in den vergangenen Jahren die pouläre Presse sogar über die clevere neue Brut von Computer-Schraten und -hackern geäußert, die Plätze wie Stanford oder das MIT zugunsten der Wirklichkeit verlassen haben. Allen Anzeichen nach lebt der Geist der Echten Programmierung weiter in diesen jungen Männern und Frauen. Und solange es schlecht beschriebene Ziele, bizarre Fehler und unrealistische Zeitpläne gibt, solange wird es Echte Programmierer geben, die bereit sind, einzuspringen und das Problem zu lösen, und die sich die Dokumentation für später aufheben. Lang lebe FORTRAN!

Ed Post, Wilsonville

(Der Übersetzer möchte an dieser Stelle seinem Haupt-Korrekturleser und allen Ratgebern für ihre Hilfe und allen bis hierher vorgedrungenen Lesern für ihre Aufmerksamkeit danken. B.L.)