Der ganz normale Wahnsinn · Teil 1

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                  DER GANZ NORMALE WAHNSINN PART I.

Haben Sie nicht auch  den Drang...??? Fuehlen Sie nicht  auch diese innere An-
spannung...??? Es ist warm, die Voeglein zwitschern, die Sonne scheint und ne-
benan verabschiedet sich  gerade mit  einem lustigen "Klick" der  Herzschritt-
macher Ihres Nachbarn....

Richtig !! Zeit in Urlaub zu fahren.

Endlich ausspannen, die Sonne geniessen, am Strand  liegen und faulenzen, alle
Sorgen vergessen...wobei die groesste Sorge  leider unmittelbar neben Ihnen am
Strand liegt....aber als treusorgender Familienvater kann  man ja schliesslich
nicht einfach seine Frau und seine zwei haesslichen Baelger zuhause lassen....
Doch werden ploetzlich diese  wundervollen Gedanken durch  einen Bruell unter-
brochen, der Sie  seit 21  Jahren, jeden  Tag auf's neue aus  Ihren schoensten
Traeumen reisst.

"Kaaaaaaaaaaaarl-Heinz...."

Sie erheben sich  muehsam aus Ihrem Sitz, die  Hauspantinen scheinen unter der
Wucht Ihrer 120 Kilo zu bersten. Mit  einer unglaublich wendigen Bewegung, die
man Ihnen gar  nicht zugetraut  haette, drehen  Sie sich um  und verlieren das
Gleichgewicht...zitternde Haende versuchen sich im Fluge an irgendeinen Gegen-
stand zu klammern, Finger in panischer Bewegung umfassen  eine Goldkante...und
mit einem lauten "Rumms", testen Sie die Haltbarkeit Ihres Fussbodens, welchen
anschliessend noch eine heruntergerissene  Goldkante  nebst Gardine, eine Gar-
dinenstange und eine schmuckvoll gestaltete Stehlampe erreichen.

Na, da haben wir uns doch wohl nicht zuviel Beweglichkeit zugetraut...??

"Kaaaaaaaaaaaarl-Heinz....verdammt nochmal, wo bist Du denn...??"

Sie sind fest entschlossen  zu antworten, als Ihnen ploetzlich klar wird, dass
sich bis vor kurzem,  ausser Ihnen, noch  ein Mitbewohner im hiesigen Raum be-
fand. Waldi, ein Dackelruede und Oberdeckel der Dackelvereinigung Gruen-Weiss-
Nippes e.V., stand doch gerade noch schwanzwedelnd vor Ihnen....

Und nun....??? Eine moerderische Stille  durchzieht den Raum, in dem Sie sich,
immernoch begraben unter diversen Gardinen- und Lampenteilen, befinden.

Nur das leise Surren  der Mixmaschine aus  der benachbarten Kueche ist zu hoe-
ren, in der gerade Ihr Juengster die Belastbarkeit seines Goldhamsters testet.
Als Sie  sich endlich entschliessen koennen,  den hellbraunen  Teppichboden zu
verlassen, wird Ihnen auf einen Schlag die ganze Unsinnigkeit Ihres bisherigen
Lebens klar. Sie gehoeren ab dem heutigen Tage  nicht mehr zu den gluecklichen
Besitzern eines Deckeldackels...

Dieses wiederliche pfannkuchenaehnliche Teil,welches Sie in erschreckender Art
und Weise an  das Ergebnis Ihres letzten Besaeufnisses erinnert und nun breit-
beinig auf Ihrem Teppich klebt, hat beileibe keine Aehnlichkeit mehr mit einem
stolzen schwanzwedelnden Deckeldackel.

Und waehrend sich gerade eine Traene aus Ihren mitternachtsblauen Augen loesen
will, Ihr  Sohn sein  Kuechen- und  Mixerexperiment mit  den Worten, "Du Mami,
Hamsi ist tot...ach ja der  Mixer iss' am Arsch...", abgeschlossen hat, dringt
erneut  diese keifende  Stimme hart  und unerbittlich in Ihren Dunstkreis ein.

"Da bist Du ja....was machst Du denn da auf dem Boden...?...was soll der Stuss
mit den Gardinen...??...ach ja, kratz' den Mist da vom Teppich, wasch' Dir die
Haende und mach' hin...ich bin mit Packen fertig....".

Ihr Blick wird  starr, unerbittlich....sie oeffnen die Lippen...ja, jetzt muss
es wohl sein..einmal ist Schluss...dieses daemliche Weib. Was glaubt die denn,
wer Sie ist....jetzt werde ich Ihr........

"Ja, mein Schatz...ich komme....."

Und waehrend Sie sich nun  muehsam von Gardinenstangen  und aehnlichen Unwich-
tigkeiten des modernen Lebens befreien, taucht  erneut diese moerderische Ruhe
auf. Eine  Ruhe, die  nur durch den Schrei Ihrer  Nachbarin unterbrochen wird,
die sich wohl  just in diesem Moment  ernste Gedanken um  die Haltbarkeit  von
Herzschrittmachern  machen wird....naja, es kann ja nicht nur glueckliche Men-
schen geben...

Als Sie sich endlich erhoben  haben und noch einmal einen Blick auf den Matsch
werfen, der  dort auf Ihrem Teppich  klebt und der einst Ihren treuesten aller
Freunde darstellte, steht ploetzlich Ihre zehnjaehrige Tochter vor Ihnen.

"Duhu Papi...Peter hat  den Hamster  gemixt....ist Hamsi  jetzt tot ??...Warum
klebt denn Waldi auf dem Teppich...??"

Was soll  man einem zehnjaehrigen Maedchen  in solch  einer Situation sagen???
Soll man Ihr die Wahrheit sagen...??? Soll man  wirklich zugeben, dass Papi zu
bloed ist,aufrecht in einem Raum zu stehen und das der voellig missratene Sohn
ein Arschloch ist...???

"Du, mein Schatz....aehm...naja Hamsi ist jetzt im Goldhamsterhimmel...aehm...
oeh...dem geht  es jetzt gut...der i st jetzt bei Gott. Und  Waldi leistet ihm
dort Gesellschaft..."

Naja, sie wird es schon verkraften, denkt man sich, wobei man sich ehrlich Ge-
danken um die Psyche seiner Tochter macht. Wird sie diese schweren Schicksals-
schlaege begreifen..??...Wird sie damit fertig...????

"Gott...???...Ist das  nicht der, der  mir zu Weihnachten immer  diese bloeden
Puppen schenkt...???...Kommt Waldi jetzt als Zombie wieder...dann musst Du Ihm
in den Kopf schiessen...."

Wie gut, dass  die Erziehung heute weitgehend von der hiesigen Video-Industrie
uebernommen wird...

"Kaaaaaaarl-Heinz....kommst Du  jetzt endlich....??? Wir kommen doch sonst nie
in Italien an....."

Unendlich langsam steuern Sie der Wohnzimmertuer entgegen.

Und waehrend  irgendwo auf  dieser grossen  weiten Welt  ein Schrei  durch die
Strassen zieht, weil sich einmal mehr beweist, dass das Fahren mit einem Elek-
trorasenmaeher ueber den eigenen Fuss recht schmerzhaft sein kann,betreten Sie
die heimische Kueche.

Dort sitzen sie nun alle erwartungsvoll um den Kuechentisch.

Das was sich in Fachkreisen Familie nennt,blickt nun gespannt auf die Kuechen-
tuer, in der sich soeben Ihre trostlose Erscheinung blicken laesst.

Eine Ehefrau, die  sie nur deshalb  geheiratet haben, weil  Ihnen nie eine der
Schoenheiten bei  ALDI  begegnete, die  sie tagtaeglich im neuen Farbfernseher
betrachten duerfen  und die noch vor fuenf Jahren den einzigen, an Ihr festzu-
stellenden Vorteil besass, einmal  ein Schreibwarengeschaeft zu erben, welches
exakt  vor besagten  fuenf Jahren bis  auf die  Grundmauern abbrannte und sich
hinterher  herausstellte, dass  dieser vertrottelte Depp, der sich als Ihr Va-
ter bezeichnete nie eine Feuerversicherung abgeschlossen hatte.

Einen offensichtlich  voellig perversen  Sohn, der die Eigenart besitzt, alles
irgendwie  Zuckende in Mixer,  Kaffemaschinen, Toaster und Kuehlschraenken un-
terzubringen.

Was  war das letztes  Jahr fuer  eine Ueberraschung, als  Sie beim Oeffnen des
Eisschrankes  feststellen mussten, dass sich neben diversen Joghurtbechern und
Bierflaschen auch  Ihre Tochter in einem  leicht eingefrorenen Zustand in sel-
bigem befand....

Ach ja, Ihre Tochter...sie ist der ganze Stolz der Familie.

Ein zehnjaehriges Maedchen, welches ueberzeugt davon ist, dass es sich bei dem
Tankwart  um die Ecke  in Wirklichkeit  um Freddie  Krueger  handelt, dass der
Papst  frueher eine  Eishoeckeymaske  trug und mordend  durch acht  Folgen der
"Freitag der 13."-Serie zog und dass Helmut Kohl eigentlich RoboCop heisst.

"Was iss' jetzt...???...Koennen wir endlich fahren...oder was...???"

Da sitz  Sie nun und  schwafelt etwas  von Urlaub....ach  warum macht es nicht
einfach "Plopp" und sie verschwindet auf Nimmer Wiedersehen in den unendlichen
Weiten der Milchstrasse...??

"Ja, mein  Schatz, wir fahren  jetzt....ich muss nur  noch Waldi abkratzen und
anschliessend wuerdevoll beerdigen..."

Die  Blicke, die auf  Ihnen lasten, werden  nun vorwurfsvoll. Und waehrend auf
einer  beliebigen  deutschen  Strasse, ein Mofafahrer  versucht, Haltungsnoten
fuer den freien Fall ueber eine Motorhaube zu bekommen, um dann festzustellen,
dass das blose Aufprallen auf  Asphalt keine Haltungsnoten verdient, vernehmen
Sie die eindeutig zu indetifizierende Stimme Ihres Sohnes.

"Hoer mal  Papi...lass ihn doch kleben...das  koennen wir doch nach dem Urlaub
noch abkratzen....iss' doch cool, so'n klebriger Dackel auf'm Teppich".

Und Ihre Tochter blickt Sie wuerdevoll an, "Duhu...Papi...darf ich  ein Stueck
Waldi mit nach Italien nehmen...??"

In diesem Augenblick beginnen Sie sich wieder zu fragen, ob diese drei Gestal-
ten, die  langsam unruhig  auf den Kuechenstuehlen hin und her rutschen, wirk-
lich Ihre Familie  darstellen sollen, oder ob  nicht vielleicht ein kosmischer
Unfall an ihrer Anwesenheit schuld ist...

Sie begeben  sich in die  Diele, um Ihre Jacke zu suchen, in welcher Ihre Frau
saemtliche fuer  die Urlaubsreise  wichtigen und  unwichtigen Papiere verstaut
hat, als es ganz unvermittelt an der Haustuer klingelt.

"Das wird meine  Mutter sein", vernehmen Sie wie durch einen dichten Nebel die
Stimme Ihrer Frau. "Ich erwaehnte doch, dass sie auch mit nach Italien kommt..
oder nicht.....???"

Sie fuehlen sich schwach...unendlich schwach...und Gedanken durchdringen Ihren
Kopf. Nein, das  nicht....nicht diese wiederliche alte Bergziege, die nur noch
auf der Welt ist, um Ihren ersten Herzinfarkt nicht zu verpassen.

In all' den Jahren Ihrer Ehe lernten Sie durch Ihre Schwiegermutter 31 Maenner
namentlich kennen, die  alle viel besser zu Ihrer Frau gepasst haetten und de-
nen Sie nie das Wasser haetten reichen koennen.

Ach haette Ihre Frau doch auf ihre Mutter gehoert..dann haetten Sie jetzt drei
Sorgen weniger....


AUF DASS DER WAHNSINN WEITERGEHE....


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