Der ganz normale Wahnsinn · Teil 5

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Na, jetzt wollen Sie doch  alle wissen, wie es ausgeht, das Drama um eine ganz
normale deutsche Familie, gelle?
Ich bin  mir sicher, dass Sie nie  nach dem Ende  gefragt haetten, wenn Sie es
vorher gekannt haetten....


DER GANZ NORMALE WAHNSINN PART V ....und endlich zuENDE


"Sie ist was....vom wem redest Du..??...meine Mutter....tot...hier...jetzt....
wie unpassend...."

Da steht sie nun. Ihre so heiss  und innig geliebte  Familie. Auf  einer Auto-
bahnraststaette, mit dem holden Namen "Wanne-Eickel-Sued".
Ihr Auto wurde in einer  Tiefgarage demoliert, Sie sind seit Stunden unterwegs
und haben immerhin schon ca. 50 Kilometer in der falschen Richtung hinter sich
gebracht, auf  der Rueckbank Ihres Wagens liegt ein  zerquetschter Frosch, und
mit dem Gesicht mittendrin, im Frosch, Ihre  soeben verschiedene Schwiegermut-
ter. Was  will ein  gluecklicher Mensch, der nichts  anderes im  Sinn hat, als
seinen wohlverdienten Urlaub in Italien zu verbringen, mehr vom Leben?

Eine moerderische Stille macht sich in Ihrer Umgebung breit.

Und waehrend vor  irgendeinem Hochhaus, ein  Selbstmoerder im freinen Fall mit
den Worten, "Aehm....ich hab's mir anders ueberlegt...", just in diesem Moment
damit beginnt, den  Buergersteig zu  verunreinigen und Ihre Frau vor Ihnen zu-
sammenbricht, stehen Sie  daemlich grinsend, vor den Ueberresten Ihrer Familie
und  versuchen, durch gezielt plazierten  Humor, Ihren  Kindern den sicherlich
in gewisser Weise vorhandenen Ernst dieser Angelegenheit ein wenig schmackhaft
zu machen. Schliesslich  soll dies  der erste Tag Ihres wohlverdienten Urlaubs
sein.

"...Aehm...wisst  Ihr Kinder...Omi  geht jetzt im  Himmel mit Waldi, der Ratte
und dem Frosch Gassi....aehm...alles halb so wild...Papi hat alles im Griff...
aehm...und Peter...heb' doch mal deine  Mutter auf...der ganze Parkplatz guckt
schon...ausserdem wollte sie das Kleid in Italien noch tragen...."

Ja, so geht's! Genauso  und nicht anders. Sie  sind das Familienoberhaupt. Sie
haben die  Hosen an in Ihrer  Familie. Ihre Kinder koennen stolz auf Sie sein.

"Duhu...Papi..wird Omi jetzt auch gruen im Gesicht und laeuft dann schlabbernd
durch die Gegend....???..."

Das Innenleben Ihrer Tochter scheint nun doch langsam bedrohliche Formen anzu-
nehmen, denken Sie sich, als Sie ploetzlich und dementsprechend unerwartet von
hinten angesprochen werden.

"Tach Chef...kann  isch helfe...???...dat  sieht ever nit jood us...die Aal in
Ihrem Waare maet so 'ne komische Eindruck...is' die duud...???..."

Sie verharren  einen kurzen  Augenblick, stellen aber dann ueberraschend fest,
dass Sie erstaunlich ungeruehrt  reagieren, als Sie  sich umdrehen und  in die
Fratze  eines typischen  Rheinlaenders, der  aus einem Dorf unmittelbar hinter
Koeln  kommen muss und dessen Kennzeichen sicherlich  jene legendaere Buchsta-
benkombination aufweist, welche man an  zweiter und dreizehnter Stelle des Al-
phabetes wiederfindet, schauen.

Und  waehrend irgendwo  ein junger  Spaetaufsteher, der mit den Fingern gerade
noch in der Oeffnung seines Toasters herumgewurschtelt hatte, weil sich dieser
einmal wieder  weigerte, das  Toastbrot  auszuspucken, feststellen  muss, dass
rotgelb gluehende Fingerkuppen zwar interessant aussehen, aber irgendwie hoel-
lisch weh tun, schauen Sie Ihrem Gegenueber tief in die Augen und sprechen ihn
cool und unerwartet ueberlegt an.

"Wunderschoenen...och ist  eigentlich nur eine  Kleinigkeit...die Alte ist zur
Seite gekippt  und war weg...also  alles harmlos...koennten sie mir vielleicht
kurz behilflich sein...??...die versaut mir sonst die ganzen Schonbezuege...."

Ihr Gegenueber schaut Sie ein wenig verbluefft an.

"Aeh...sischer  dat Chef...dat  woer doch jelaach, wennemer  die nit  us ihrem
Waaren heruskriejen wuerden...wa...."

Und  nachdem nun, einige  Minuten  spaeter, die  klaeglichen  Ueberreste Ihrer
Schwiegermutter  bewegungslos  neben der  Muelltonne, unmittelbar  neben Ihrem
Wagen liegen, der zermatschte Frosch, scheinbar grinsend, immer noch auf Ihrem
Ruecksitz  klebt und  Ihr Sohn nun schon  zum achten  Male versucht, Ihre Frau
wieder auf die Beine zu stellen, stehen Sie und  Ihr neuer Partner ueberlegend
vor Ihrem Auto und schauen sich an.

"Un' wat nu Chef...???...die kann ja schlech' hier lien blive...oder wat..."

Nun sind Sie gefordert. Ganzer Einsatz ist gefragt.

Aber  Sie sind ja nicht  unmsonst Dienststellenleiter beim staedtichen Verwal-
tungsamt zur Beseitigung von Sondermuell.
Ausserdem waren Sie es schon in  Bundeswehrzeiten  gewohnt, Entscheidungen  zu
treffen. Von einem Obergefreiten wurde dies in jeder Lebenslage erwartet.
Brust raus, ein wichtiges und  ueberlegenes Gesicht aufgezogen und Befehle er-
teilen. Ja, nur so geht's!

"Hmmm....nein...das  kann sie  natuerlich  nicht....hmmm...gehen sie zur Tank-
stelle und lassen sie sich einen  grossen blauen Muellsack geben...bringen sie
noch  zwei Schaufeln  mit....hmmm...eine  wuerdige Beerdigung muss sein...los,
worauf warten sie noch....Sabinchen...hoer' sofort auf mit dem Frosch zu spie-
len....Peter...lass' deine Mutter liegen...hol' das Warndreieck aus dem Auto..
ich habe keine Lust  auch noch  Krankenhausrechnungen zu bezahlen, wenn jemand
ueber deine Omi...aehm...na das, was von ihr uebrig ist...stolpert....."

Sie  blicken zufrieden gen Himmel. Irgendwo, ein paar Kilometer entfernt, muss
gerade ein  Manta-Fahrer feststellen, dass  sich sein Fahrzeug trotz heizbarer
Heckscheibe und 2 Spoilern nicht  zum Fliegen eignet, und dass Brueckenpfeiler
robuster sind, als man gemein hin annimmt.
Ihr Bergheimer Freund setzt sich in  Richtung Tankstelle in Bewegung, Ihr Sohn
kramt im Kofferraum und Ihre  Tochter hat sich soeben von Froeschi verabschie-
det, der  nun  gleichmaessig  verteilt, im  gesammten  Innenraum Ihres  Wagens
klebt. Ein Gefuehl von Macht, unglaublicher Ueberlegenheit macht sich in Ihnen
breit. Hier sind Sie der Chef!

Eine  halbe Stunde  spaeter erreichen die Ereignisse auf der legendaeren Auto-
bahnraststaette Wanne-Eikel-Sued ihren Hoehepunkt.
Die  Reste  Ihrer  Schwiegermutter liegen, in einem  blauen Muellsack gut ver-
schnuerrt und mit einem Warndreieck versehen,auf einer extra von einem freund-
lichen Autopartner gerauemten Parknische.
Die halbe Autobahnraststaette hat  sich, teils froehlich  feiernd, teils inte-
ressiert  zuschauend um  Sie versammelt. Ein  Junger  Mann  aus Essen  und ein
Rocker aus Leverkusen graben, nach Ihren  Anweisungen, ein Loch in  den Rasen,
der  sich unmittelbar  vor  den  Parkplaetzen  befindet, irgendwo  jodelt  ein
froehlicher Juengling, der  feststellen muss, dass Flaschenoeffner nuetzlicher
sind, als man glaubt, und  der sich gerade ueberlegt, welcher Zahnarzt Kronen-
korken aus dem  Zahnfleisch entfernt, weil unser Held all' seinen Freunden be-
weisen musste,  wie einfach  es ist, eine  Flasche mit den Zaehnen zu oeffnen.
Und inmitten dieser bizarren Zeremonie stehen Sie.

"Duhu...Papi....da  musste jetzt aber auch 'ne Rede halten...in  Platoon haben
das die Soldaten auch gemacht...."

Eine Rede.....eine Rede fuer diese Frau....warum eigentlich nicht...??...

Sie sind schliesslich der Mittelpunkt. Und das Publikum erwartet jetzt sicher-
lich eine ergreifende Rede von  Ihnen. Ein  riesen Applaus  wird Ihnen  sicher
sein.

Ein paar Minuten spaeter stehen Sie, innerlich geruehrt, vor dem Loch, in wel-
ches nun ein grosser blauer Muellsack geworfen wird.
Menschenmassen umringen Sie. Einige Ihrer Bewunderer versuchen verzweifelt ein
Foto von Ihnen machen zu koennen, wahrend Sie, sichtlich angespannt, Ihre Lip-
pen  zu jener Rede  oeffnen, welche noch Jahre spaeter als das groesste Ereig-
niss von Wanne-Eickel gelten soll.

"Liebe  Trauergemeinde....wir  stehen hier nun und haben die Aufgabe, jener so
wundervollen.....prust...alten  Dame, die sich dort in dem Muellsack befindet,
einen eherenvollen Abgang zu verschaffen...."

Tosender Jubel  unterbricht Ihre Rede. Einige Bravo-Rufe sind deutlich zu hoe-
ren. Die  Autobahnraststaette Wanne-Eickel-Sued  gleicht einem  Rolling Stones
Konzert, und Sie sind Mick Jagger.

"Danke...danke...meine Freunde....wo waren wir stehengeblieben...??...achja...
sie hat nur fuer ihre Familie gelebt...und ist bei ihrer Familie krep...aehm..
von uns  gegangen...Ave Maria...Nomen  est Omen...Halleluja...Oh  du gnaediger
Herrgott...mach' deine Pforten weit auf...und blos  hinter ihr  schnell wieder
zu....aehm...nimm' sie auf in's Reich, wo Mannitou und Odin leben...Halleluja.
Lasset' uns nun alle  gemeinsam ein Lied  singen...oh du frooooehliche...oh du
seelige....."

Der gesamte Parkplatz taucht unter in eine grandiose  Weihnachtsstimmung. Hun-
derte von Menschen singen das Lied, welches Sie ihnen befohlen haben.

"Lassen sie mich doch mal durch...mein Gott gehen sie beiseite..und hoeren sie
sie mit diesem Geplaerre auf..."

Und waehrend  der Autor  dieses Wahnsinns, in  diesem Moment stockbesoffen vom
Stuhl zu kippen droht, drehen Sie sich um, um festzustellen, wer es wagt, Ihre
so stimmungsgeladene Weihnach...aeh...Totenmesse zu unterbrechen.

"Sind sie fuer diese Demonstration verantwortlich...???...was treiben sie hier
eigentlich...was soll der Muellsack da in dem Loch...???..."

Zwei offensichtlich voellig unwuerdige Polizisten haben sich den Weg durch die
Menschenmassen gebannt und stehen nun fragend vor Ihnen.
Sie  blicken ebenso fragend, aber mit einem Willen, wie er staerker nicht sein
kann, unmittelbar in das Augenpaar eines der Schutzmaenner.

"Was soll ich  hier treiben...??...das sehen sie doch...die Menschen feiern...
und ich beerdige gerade meine Schwiegermutter...also wo ist das Problem..??.."

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An dieser Stelle hat sich der Autor gedacht, dass man seinen Lesern nicht noch
mehr abartige und voellig wahnsinnige Phantasien eines offensichtlich geistes-
kranken  Alkoholikers  zumuten sollte  und beendet  unsere  kleine Familienge-
schichte, nicht ohne darauf  hinzuweisen, dass  eine Verwechslung mit lebenden
Familienmitgliedern,  sowie toten  Schwiegermuettern  rein zufaellig und nicht
gewollt ist.

Und was ist aus unserer Familie geworden...???

Nun, Vater durfte  nach einem Zwangsaufenthalt in der Heilanstalt "Zum Bloeden
Grinsen" wieder zurueck zu seinem, immernoch auf dem Teppich klebenden Dackel.

Mutter erholte  sich natuerlich von  dem Schock und traeumt heute von dem gut-
aussehenden jungen Sanitaeter, der waehrend der Fahrt ins Kreiskrankenhaus von
Wanne-Eickel ihre Hand hielt.

Peter fand das  Alles nur "echt geil" und testet heute die Reaktion von Fuenf-
Pfund-Haemmern auf Schildkroetenpanzer im Bezug auf Belastbarkeit.

Und Sabinchen schwoert  seit der  Reise auf  Froschschenkelsuppe und wird  nur
noch  gelegentlich  am heimischen Fenster  gesehen, wo  sie erwartungsvoll auf
Zombie-Omi wartet.

Also doch noch ein Happy End. Warum auch nicht?

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(c) by Beetlejuice