Über Schmerzen

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Wie geht man mit Schmerzen um?
Kann es Schmerzen ohne Leiden geben?

Für die meisten von uns ist Schmerz eine Quelle von Leid. Wenn wir einen Schmerz spüren, entsteht Widerwille (gegen dieses Gefühl) und damit Leid.

Für erfahrene Meditierer muß das nicht zwangsläufig so sein: Der Meditierer entwickelt die Fähigkeit festzustellen, dass Schmerz und Leid etwas verschiedenes sind. Sein Geist lernt, den Schmerz anzunehmen, wenn er entsteht, so wie er ist. Da ist kein Widerwille, und der Schmerz beeinflußt ihn nicht. Es gibt kein Leiden. Wenn der Geist im Frieden ist, kann es Schmerz ohne Leiden geben.

Im Mahāparinibbāna Sutta, der Geschichte vom Tode des Buddha, hat der Buddha unerträgliche Schmerzen und verliert ständig Blut. Nach dem Befinden gefragt, antwortet er aber:

Ich fühle große Schmerzen. Aber mein Geist ist klar und im Frieden. Ich leide nicht.

Der ehrenwerte Visuddhacara aus Malaysia hat darüber geschrieben, wie man Achtsamkeit verwenden kann, um mit Schmerzen zu arbeiten. Und zwar in einem Kapitel seines Buchs Drinking Tea, Living Life - Applying Mindfulness in Everyday Life & Critical Times. Unter folgt eine verkürzte Version dieses Kapitel seines Buches. Erlauben Sie mir bitte, es mit Ihnen zu teilen:

Leben mit Schmerzen

Der englische Philosoph Bertrand Russell hat es nett ausgedrückt, als sagte: das Geheimnis des Glücks liegt darin, der Tatsache ins Auge zu schauen, dass das Leben vor allem eines ist: schrecklich, schrecklich und nochmal schrecklich.

Der Grund ist einfach. Wenn wir wissen, dass Leiden einfach zum Leben gehört, dann werden wir nicht zu sehr überrascht, wenn das Leiden uns besucht.

Selbstverständlich versuchen wir, es zu mindern oder zu überwinden, aber wenn das nicht möglich ist, so wie wenn wir eine unheilbare Krankheit haben, können wir es annehmen und lernen, mit ihm zu leben.

Umso mehr leidet der Mensch, der es ablehnt, die Tatsache des Leidens anzuerkennen, wenn er Schwierigkeit beim Versöhnen mit seinem Leid findet.

Wie erlernen wir, mit den Schmerz fertig zu werden? Achtsamkeit ist der Schlüssel. Sie kann uns helfen, mit den Schmerz bemerkenswert gut zu leben.

Ein Meditierer kann zum Beispiel schmerzliche Empfindungen während seiner Sitzmeditation beobachten. Er kann in den Schmerz gehen, eine Art von mit ihm eins werden Er kann ihn fühlen. Er kann dessen Intensität beobachten.

Er kann dessen Änderungen beobachen so wie die Musik eines Orchesters: wie sie sich zu einem ohrenbetäubenden Crescendo erhebt, oder dass sie wie Wellen steigt und fällt. Er kann es ohne psychisches Leid oder Widerstand ruhig beobachten.

Dann gibt es nur körperliche Schmerz, aber keine psychische Belastung. Man beobachtet den Schmerz als bloße Empfindung. Man würde ihn nicht als meinen Schmerz bezeichnen oder denken:

  • Ich habe große Schmerzen.
  • Dieser Schmerz bringt mich um.
  • Es ist schrecklich.
  • Wann geht er weg?
  • Wenn er nur weggeht!

Solche Gedanken brauchen nicht zu entstehen; denn wenn die Achtsamkeit stark ist, taucht die Idee des Selbst nicht auf. Man betrachtet den Schmerz nicht als zu sich gehörend. Stattdessen sieht man ihn als bloßen Vorgang, als Schmerz, der entsteht, und Schmerz, der vergeht. Dann gibt es Schmerz, aber kein Leiden.

Wer nicht meditiert, wird dies kaum verstehen, aber erfahrene Meditierer können bezeugen, dass sogar unerträglicher Schmerz ruhig beobachtet werden kann.

Selbstverständlich ist dieses nicht einfach. Aber wenn ein Meditierer der dran bleibt, erwirbt er schließlich diese Fähigkeit, den Schmerz zu beobachten. Mit wiederholter Bemühung und Beobachtung erstarken seine psychischen Muskeln, um es so zu sagen.

Wenn wir den Schmerz beobachten können, kommen wir folglich dahin, weniger Furcht oder keine Furcht mehr vor Schmerzen zu haben. Und folglich können wir ihm entgegentreten, wenn der Schmerz in unser tägliches Leben kommt:

  • Wir können ihn beobachten und aushalten.
  • Wir können ihn zu bloß einen anderen Meditationgegenstand machen!
  • Wir können mit ihm leben und arbeiten.

Mit den Schmerz fertig zu werden, diese Fähigkeit ist ein sehr wünschenswerter Nutzen, den die Achtsamkeits-Meditation bringt.

Tatsächlich ist diese Praxis von Achtsamkeit im Westen populär geworden. In den USA hat die Streß-Verminderungs-Klinik am Medizinischen Zentrum der Universität Massachusetts seit 1979 buddhistische Achtsamkeits-Techniken erfolgreich genutzt, um Patienten zu helfen, mit Schmerzen fertig zu werden.

Die Klinik veranstaltet einen achtwöchigen Achtsamkeits-Kurs von 45 Minuten pro Tag an 6 Tagen pro Woche. Der Kurs ist so erfolgreich gewesen, dass die Klinik ein Video der Achtsamkeits-Technik produziert hat. Das einstündige Video World of Relazation ist so populär geworden, dass es von über hundert Krankenhäusern in Amerika und in Kanada gekauft wurde.

Die Achtsamkeits-Klinik wurde von Jon Kabat-Zinn, einem Assistenz-Professor für Medizin gegründet. Dr Kabat-Zinn, der selber meditiert, ist für seine Arbeit international bekannt: er verwendet Achtsamkeits-Meditation, um Patienten zu helfen, mit den chronischen Schmerz und Streß fertig zu werden.

Mehr als 4000 Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft, darunter Ärzte, Herzspezialisten, Manager, Geschäftsleute, Lehrer und Richter, haben an seinem Programm zur Streßverminderung Achtsamkeits-Techniken teilgenommen.

Patienten mit Problemen von Kopfschmerzen, hohem Blutdruck und Rückenschmerzen bis hin zu Herzkrankheiten, Krebs und AIDS sind von Ärzten in seine Klinik überwiesen worden.

Ein älterer Patient, der in einem Rollstuhl mit starken Schmerzen in seinen Füßen kam, erklärte der Gruppe am ersten Tag, sein Schmerz sei so stark, dass er sich einfach seine Füße abschneiden wolle. Am Ende des achtwöchigen Kurses war er vom Rollstuhl über Krückeen bis zu einem Stock weitergekommen. Der Schmerz, sagte er, habe sich kaum geändert, aber seine Einstellung gegenüber dem Schmerz habe sich sehr geändert. Er fand sie erträglicher, nachdem er anfing zu meditieren.

Eine anderere Patientin, die unter einer Reihe chronischer Gebrechen litt, Bluthochdruck, Erkrankung der Herzkranzgefäße, Geschwüre, Arthritis, Wolf und Infektion der Harnwege, wurde bemerkenswert gut mit ihren Schmerz und Streß fertig, nachdem sie die Übung der Achtsamkeit aufgenommen hatte. Sie schlief besser, ihr Blutdruck sank, und Symptome und Schmerz verringerten sich drastisch.

Ihre Geschichte und die vieler anderer Patienten, die durch Achtsamkeit Entlastung oder sogar eine erfrischende neue Lebensweise fanden, hat Dr. Kabat-Zinn in seinem Buch Full Catastrophe Living dokumentiert, veröffentlicht in Amerika im Juli 1991 (Gesund durch Meditation).

Dr. Kabat-Zinn empfiehlt die Übung der Achtsamkeit als einen Weg, Streß zu reduzieren, mit Schmerz fertigzuwerden und gesitigen Frieden zu finden:

Es gibt keine Medikamente, die sie immun machen gegen Streß und Schmerz oder die selbständig wie durch Zauberei ihre Lebensprobleme lösen oder die Heilung fördern. Es braucht ihre bewußte Bemühung, um sich in Richtung auf Heilung und inneren Friedens zu bewegen. Das bedeutet zu lernen, mit dem Streß selbst zu arbeiten und mit dem Schmerz, der Sie leiden läßt.

An Schmerz kann man arbeiten, wenn wir wissen, wie man Achtsamkeit anwendet. Achtsamkeit gibt uns geistige Stabilität und Mut. Mit Achtsamkeit können wir jeder mögliche Situation ohne Furcht oder Angst ins Auge sehen. Wir können sie alle in unsere Entwicklung aufnehmen. Wir werden nicht nur gut leben und ein Quell guter Stimmung, Trost und Inspiration für andere sein, sondern auch gut sterben können.