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5 Jahre OSM - eine persönliche Bilanz


Geschrieben von seawolff (Gast) am 17. Juli 2013 01:11:38: [flux]

Moin,

am 16.7.2008 habe ich meinen ersten Beitrag zu OpenStreetMap geleistet.

Damals war selbst in unserem Landeshauptdorf Kiel das Straßennetz nur zu einem
kleinen Teil erfasst. Ich bin oftmals mit meinem alten GPS12 durch die Straßen und Wege
geradelt, habe an relevanten Punkten den Markerknopf gedrückt, zu Hause die Daten per
seriellem Kabel übertragen und in die OSM-Datenbank hochgeladen. Mit Potlatch 0.x ließen
sich die OSM-Daten zusammen mit den gerade übertragenen Tracks darstellen und editieren.
Es gab damals nur wenige elementare Tags, die auch für einen Einsteiger schnell erlernbar
waren, aber noch keine Relationen. Als Datenquellen gab es neben den GPS-Tracks nur
schlecht aufgelöste Landsat-Bilder, die allenfalls eine grobe Abschätzung von Wäldern und
Seen erlaubten. Die Editoren hatten noch manche Schwäche, so dass leicht ein fälschlich
unverbundener Weg entstand. Trotzdem war fast jeder Beitrag ein Gewinn für OSM.
Die Änderungen erschienen manchmal nach wenigen Stunden auf der Osmarender-Karte,
aber die Mapnik-Karte wurde nur einmal pro Woche aktualisiert. Eine nicht geschlossene
Fläche oder ein falsches Tag blieben so eine ganze Woche sichtbar.

Seitdem hat sich eine Menge getan. Ich bin mir nach kurzer Zeit ein Garmin eTrex
Vista HCx zugelegt und konnte an meinem neuen Laptop auch mit JOSM flüssig
arbeiten. Die Editoren wurden immer leistungsfähiger. Das Straßennetz ist in
Deutschland fast vollständig erfasst. Mit den Luftbildern von Aerowest und vor allem
Bing ist die Datenqualität sehr gestiegen und es können auch Strukturen, wie Knicks
und Bäche erfasst werden, die vorher kaum zugänglich waren. Auf der Mapnik-Karte
erscheinen Änderungen jetzt schon nach wenigen Minuten. Es entstehen immer mehr
Projekte, die OSM-Daten nutzen und auswerten. Er werden immer mehr Details und
Zusatzinformationen in OSM erfasst.

Trotzdem gibt es für mich auch einige Wermutstropfen. Gerade die vielen Details
machen einige Karten unübersichtlich, die Routeranweisungen zu kompliziert und
viele Auswertungen unmöglich, wenn viele Elemente ohne Zusammenhang
in der Datenbank stehen. Selbst im Kernbereich von OSM gibt es kaum Datenstrukturen,
die mehrere ways zu einer Straße, mehrere Kreuzungspunkte zu einer Straßenkreuzung
oder mehrere Ausfahrten zu einem Autobahnkreuz zusammenfassen.
In vielen Bereichen werden immer neue Daten erfasst, ohne dass Aussicht auf
einen Grad an Vollständigkeit besteht, der für eine breite Nutzung nötig ist. Selbst
überschaubare Fortschritte, wie etwa Höchstgeschwindigkeiten aller Autobahnen
zu erfassen, gelingen nicht.
Das ÖPNV-Modell ist gescheitert. Buslinien mit mehreren Varianten lassen sich kaum
damit umsetzen. Eine Straße, über die fünf Buslinien in 12 Varianten führen, ließe sich
bei vollständiger Erfassung der Linien auch nicht mehr sinnvoll editieren.
Es hat sich leider keine demokratische Kultur gebildet, bei der die Mapper gemeinsam
über die weitere Richtung von OSM entscheiden.
Viele Fragen, die schon vor Jahren diskutiert wurden, tauchen immer wieder auf, ohne
dass es einen Weg zur Entscheidung gibt.
Für eine Neueinsteiger werden die Einstiegshürden immer größer, zum einen unvermeidlich,
da es immer mehr und komplexere Daten gibt, die man nicht zerstören darf, aber zum
anderen unnötig, da die Regeln und Gebräuche nur unvollständig und teils widersprüchlich
im Wiki abgelegt sind und daneben viele weitere Informationsquellen mit schlecht auffindbaren
Diskussionen.
Die Entscheidung, die vielen Spezialkarten und Anwendungen nicht über die zentrale Webseite
osm.org zugänglich zu machen, erschwert die Wahrnehmung und Nutzung (und indirekt die
Finanzierung) von OSM. Anwendungen, die nur über tief verschachtelte Wikiseiten oder eine
Google-Suche zugänglich sind, werden kaum genutzt.

Ich verbinde dennoch viel positives mit meinem Engagement für OSM.
Um fehlende Wege auszumessen, bin ich in viele Sackgassen und Feldwege gefahren und
habe manch interessantes Detail entdeckt. Ich habe Ausflüge in schlecht erfasste Gegenden
gemacht, die ich sonst nicht besucht hätte. Beim Editieren ergaben sich immer wieder Fragen,
die mich zu Google-Recherchen animieren. Ich habe viele Diskussionen im Forum und talk:de
mitgelesen und dabei einiges gelernt. Der Umgang miteinander war dort meist freundlich und
konstruktiv. Und natürlich nutze ich auch die OSM-Daten, oft auf Reisen und zu deren Vorbereitung.

Jetzt ist es wieder einmal spät geworden und meine persönliche Bilanz aus 5 Jahren
mit OSM, die natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Objektivität erhebt, erscheint
einen Tag zu spät :-).


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