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9 Jahre OSM - eine persönliche Bilanz


Geschrieben von seawolff (Gast) am 02. August 2017 00:21:23: [flux]

Ich habe mich laut "How did you contribute" am 16. Juli 2008 bei OSM angemeldet und seitdem
473 348 Nodes, 63 563 Ways und 614 Relationen angelegt (und einige mehr bearbeitet).

Eine Zwischenbilanz, die ich nach 5 Jahren OSM geschrieben hatte, findet sich hier.

Die meisten der damals beschriebenen Entwicklungen haben sich fortgesetzt.

Es sind viele neue Daten hinzugekommen. Insbesondere das Wegenetz ist in Deutschland inzwischen fast vollständig,
Ich entdecke nur noch noch selten einen Waldweg, der noch nicht in OSM enthalten ist.
In vielen Städten und Dörfern sind die Hauptgebäude fast vollständig erfasst, in einigen sogar Garagen und Schrebergartenlauben.
Auch die geometische Genauigkeit ist dank der verfügbaren Luftbilder deutlich verbessert.
Diese Erfolge hätte ich vor neun Jahren nicht für möglich gehalten.

Technisch wurde vieles in den letzten Jahren weiter verbessert.
Die Hauptkarte wird schnell aktualisiert; störende Darstellungfehler treten nur noch sehr selten auf.
Auch der Kartenstil wurde weiter verfeinert und gefällt mir besser als ältere Varianten.
Auf meinem Mobiltelefon habe ich mit Osmand immer eine Karte dabei, die ich ohne Kosten und Datenschutzbedenken nutzen kann.
Die Router sind inzwischen gut in die OSM-Karteseite integriert und liefern meist brauchbare Ergebnisse.
Auch andere Tools rund um OSM wie z.B. "Taginfo" oder "overpass turbo" laufen stabil und sind recht nutzerfreundlich.

Die Taggingqualität hat sich leider über die Jahre kaum verbessert und zum Teil sogar abgenommen.
Viele Tags sind im Wiki immer noch inhaltlich schlecht definiert.
Teilweise gibt es im Wiki Widersprüche zwischen verschiedenen Versionen, Unterseiten oder Sprachen eines Tags.
Bei flächigen Objekten ist die Ausdehnung meist schlecht definiert (nur Kerngebiet oder inkl. Wege, Parkplätze und Ziergrün).

Selbst beim Straßen- und Wegenetz, dass man als Kernkompetenz von OSM vermuten würde, gibt es abhängig vom letzten Bearbeiter deutliche Unterschiede.
Einige Mapper entscheiden streng nach amtlicher Klassifizierung, andere nach gefühlter Verkehrsbedeutung und manche haben weitere Kriterien.
Die Frage, ob "path" ein unbeschilderter Pfad ist oder alle Fuss-, Rad- und Reitwege beschreibt, war eine der ersten Diskussionen, die ich damals gelesen habe, und wird gerade wieder diskutiert,

Manche Tags wurden im Laufe der Zeit so verwässert., dass sie nicht mehr im ursprünglichen Sinn auswertbar sind.
So wird mache Naturbadestelle zum "water_park", einige Bänke im Halbrund zum "theatre" und ein Luftballonverkauf zur "attraction".
Mancherorts wird jedes Universitätsgebäude zur "university", jeder Saal eines Gebäudes zum "theatre" oder jede Parkreihe zu einem Parkplatz.
An vielen Stellen sind relevante Information nicht strukturiert erfasst, sondern nur im Namen abgelegt
(z.B. "building=yes" mit Namen "Scheune aus Musterdorf (1760)", "ABC-Versicherung Hauptsitz", "Tischlerei Müller GmbH", "Lager" oder "Tickets").

Die Trennung von Landnutzung und Landbedeckung wurde oft diskutiert (und würde manche Probleme lösen), wurde aber kaum umgesetzt.

Es fehlen weitgehend Datenstrukturen, die zusammengehörige Objekte miteinander verbinden.
Die Linienbündelung, die zu Beginn meiner OSM Zeit eifrig diskutiert wurde, bleibt ungelöst.
Teilweise wurden zusammengehörige Objekte (z.B. Bushaltestellen und Unterstand) später in zwei unverbundene POIs geteilt
Durch solches Mikromapping wird zwar die geometische Genauigkeit verbessert, aber oft verliert man dadurch inhaltliche Zusammenhänge,

Ich sehe auch kaum Bemühungen, die OSM-Daten mit externen Daten interoperabel zu machen.
Die Buslinien, deren Erfassung wegen der komplizierten Datenstrukturen ohnehin kaum vorankommt, würden erst durch die Verknüpfung mit Fahrplandaten einen größeren Nutzen gewinnen.

Bei vielen Objekten fehlen Tags um abzuschätzen, ob sie lokal, regional oder überregional relevant sind (Bäume, Flugplätze, Kanäle, Attraktionen).

Es sind im Laufe der Jahre sehr viele Taggingvorschläge dazugekommen.
Meist gibt es keine Entscheidungen für ein Datenmodell, so dass mehrere Varianten nebeneinander existieren.
Ich habe in manchen Bereichen die Übersicht verloren.

Nur für einige Spezialthemen (Eisenbahn, Stromnetz, Seezeichen, Grenzen) gibt es gut definierte Taggingregeln und im Ergebnis auch eine weitgehend einheitliche Datenstruktur.

Für eine Kartennutzung genügt die vorhandenen Datenqualität oft, da der Betrachter viele Zusatzinformationen aus dem Objektnamen und dem räumlichen Kontext gewinnen kann.
Für eine Objektsuche reicht es, wenn das gesuchte Objekt unter den ersten Treffern ist, egel ob z.B. ein Handwerksbetrieb als craft, building oder landuse erfasst ist.
Aber aus OSM ist leider keine universelle Geodatenbank geworden, mit der man Fragen nach der Anzahl, Gesamtlänge oder Fläche von bestimmten Objektklassen in einem Gebiet beantworten kann.

Einige Jahre habe ich zunächst in der Mailingliste und später im Forum mitdiskutiert.
Viele Diskussionen endeten ohne Ergebnis und selbst bei einem Konsens war keine Entscheidung dauerhaft oder verbindlich.
Ich hatte kurze Zeit die Hoffnung, das sich über Harald Hartmanns Umfrageplattform zumindest ein zählbares Meinungsbild der Aktiven gewinnen lässt, aber die Plattform wurde bald wieder eingestellt.
Ohne die Möglichkeit verbindliche Ergebnisse zu erzielen, ist mein Interesse an den Diskussionsforen nach und nach eingeschlafen.

Auch als Mapper habe ich es weitgehend aufgegeben, das Tagging anderer zu ändern.
Für nahezu jede Variante wird es auf eine Wikiseite oder in einer Diskussion eine Begründung geben.
Nur machmal kann ich nicht widerstehen, einen völlig unsinnigen Namen in "description" zu verschieben.

Bei Radtouren und anderen Aktivitäten suche ich immer noch nach bislang bei OSM nicht erfassten Wegen.
Ich übertrage weiterhin fehlende Gebäude, Bäche und Grünflächen aus den verfügbaren Luftbildern, aber ich beschränke mich inzwischen auf wenige Standardtags.
Als stiller Gelegenheitsmapper werde ich bei OSM wohl dabeibleiben.

Bevor ich mein Passwort für das Forum vergesse, wollte ich noch eine persönliche Bilanz ziehen, die auch jetzt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Objektivität erhebt.


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