Der ganz normale Wahnsinn · Teil 3

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DER GANZ NORMALE WAHNSINN PART III.

"Warum ueberholst Du nicht endlich mal irgendjemanden....???...schliesslich
fahren wir doch einen Mercedes....."

Sicher sind Sie stolzer Besitzer eines Mercedes, wenn auch mit eingeschlagenem
Seitenfenster,welches mit rotem Klebestreifen kunstvoll zusammengehalten wird.
Und sicher wuerden Sie auch ganz gerne einmal irgendwann irgendjemanden ueber-
holen, nur hat die Sache einen entscheidenen Haken.

Sie  stehen seit  der Ueberschreitung  des Leverkusener  Kreuzes in  einem ty-
pischen Fuenfzig-Kilometer-Urlaubsstau - wen um Gottes Willen  sollen Sie denn
da ueberholen?

Sie wollen sich gerade zur Seite drehen,um Ihrer Frau fachmaennisch zu erklae-
ren, dass dies aus Gruenden der Nichtbenutzbarkeit des Seitenstreifens und aus
stautechnischen Gruenden momentan leider nicht moeglich ist, als Sie mit einem
kurzem Blick auf Ihre Weltallerliebste feststellen, dass diese, wie auch schon
bei Beginn der Fahrt  unaufhoerlich mit  dem Studieren irgendwelcher Strassen-
karten beschaeftigt ist.

Jetzt heisst es Interesse heucheln.

Ihre Lippen, durch  die seit  ca. einer  Stunde, mit der Begruendung "Vitamine
steigern  das  Konzentrationsvermoegen", unnachgiebig,  staendig  irgendwelche
Fruchtbonbons geschoben werden, oeffnen sich...

Und  waehrend irgendwo  in Deutschland ein froehlicher Heimwerker mit der Hand
an irgendeiner Wand klebt, weil das Ziehlen mit Naegeln in Band 1 seiner Heim-
werkerbrochuere nicht erklaert wurde, drehen Sie sich gewichtig zur Seite...

"Du, Liebling....schau' doch  mal gerade  nach, wo  wir uns jetzt befinden..."

Jaja, Sie befinden sich, exakt dreihunderfuenfzig Meter vom Leverkusener Kreuz
entfernt auf einer Autobahn.

Aber Ihre  Frau wird nun  denken, dass man sie dringend benoetigt und wird mit
einem wichtigen Laecheln auf ihren Lippen antworten : "Ja da siehst Du mal,wie
wichtig es ist, sich mit Kartenmaterial auszukennen..."

Und Sie  werden die naechsten zwanzig Minuten von weiteren Bonbonattacken ver-
schont bleiben - alles Taktik.

Aber anstatt einer  Antwort, herrscht nun  voellige Stille in  Ihrem Fahrzeug.
Nur leise, ganz leise,hoeren Sie das undeutliche Gemurmel Ihrer lieben Gattin.

"....hmmmmm....Kiel....hmmmm....hier muss  doch irgendwo Koeln sein.....hmmmm"

Waren  wirklich Sie  es, der in einem  Anfall von geistiger Umnachtung, dieses
duemmliche Wesen, welches jetzt Luebeck gefunden zu haben scheint und dies mit
einem kraeftigen "In Luebeck gibt's doch das leckere Marzipan..." kundtut, ge-
heiratet haben? Muessen Sie denn immer Pech im Leben haben?

"Duhu....Papi...haste gesehen....da ist grade Dirty Harry vorbeigefahren...tut
der jetzt einen erschiessen....???"

Wer um alles in der Welt ist Dirty Harry...???

Die Gedanken  scheinen nur so an Ihnen vorbeizufliegen. Sie sitzen wirklich in
Ihrem Auto, um eine  Scharr verwirrter Geister nach Italien zu transportieren.
Sie spielen gerade mit dem Gedanken, sich von Ihrer Tochter ueber einen gewis-
sen Harry Sowieso  aufklaeren  zu lassen, als Ihre gesamte Konzentration durch
einen markerschuetternden Schrei unterbrochen wird.

"Daaaaaaaaaaaaaaaaa.........da hinten....."

Ihre  Nackenhaare stehen spalier. Ihr  ganzer Koerper bildet eine Einheit, die
nur noch aus Muskeln zu bestehen scheint.
Jeden Moment erwarten Sie einen  Knall. Den Knall, der  das Ende  Ihres Lebens
bedeuten muss. Doch wieder herrscht, eine diesmal unbehagliche Ruhe um sie he-
rum.
Sie wagen kaum zu atmen.Schweissperlen bilden sich auf Ihrer Stirn. Sie drehen
sich unendlich langsam zur Seite. Zoegernd verformt sich Ihre Gesichtsmuskula-
tur. Und waehrend in irgendeinem deutschen  Kinderzimmer, ein  beliebiger vor-
pubertaerer, schwachsinniger Juengling feststellen muss, dass sich  sein Meer-
schweinchen im Aquarium  des Vaters als nicht  wassertauglich erweist, stellen
Sie zoegernd die Frage, deren  Antwort  als garantiert  herzinfarktgefaehrdend
eingestuft werden muss.

"Was ist......gulp....da....???..."

Ihr Blick gleitet an einem ernsten Gesicht herunter. Herunter auf ein Meer von
Strassenkarten. Immer weiter herunter, bis sich Ihr Blick an einer Tuete Vita-
minbonbons verfaengt, die froehlich raschelnd zwischen den Stempeln Ihrer hol-
den Gattin herumliegt.

"Ich  glaube.....da haetten wir  rausgemusst....das  war, nehme ich an, unsere
Ausfahrt...da hinten die.....hmmmm....ich kann mich natuerlich auch irren...."

Und waehrend  Sie sich langsam  ernsthaft fuer die Schiessfaehigkeiten des von
Ihrer Tochter als besonders  teffsicher beschriebenen  Dirty Harry zu interes-
sieren beginnen,vernehmen Sie hinter sich die gefuerchteste Stimme der Cologne
West-River-Side.....

"Ich kann mir  vorstellen, was  Dingsbums da wieder fuer einen Kartenmuell ge-
kauft hat...wieder so billige Dinger auf denen man nichts erkennt....jaja, ich
habe ja immer gesagt...der Juergen...ja...der war mal  Pfadfinder...der haette
uns auch blind nach Italien gefahren...."

Es vergehen Stunden. Stunden  der behaglichen  Konversation. Stunden, in denen
Sie neben Dirty Harry noch einundzwanzig weitere Killer kennenlernen,die alle-
samt, froehlich winkend, an Ihnen vorbeifahren.
Stunden,in denen Sie etwas ueber die Umgehungs- und Landstrassen von Flensburg
erfahren duerfen, und Stunden in denen Sie lernen, Bonbons zu hassen.

Das Leverkusener Kreuz befindet sich  mitlerweile weit hinter  Ihnen. Der Stau
gehoert der Vergangenheit an,und nur die Stimme Ihrer Tochter liegt Ihnen noch
im Ohr, als Sie den Grund des Staus, einen wundervollen Auffahrunfall, endlich
kennenlernen durften.

"Duhu....Mami....guck mal...da iss' ja  ein Zermatschter.....uhhh doll....der,
der da hinten an der Leitplanke haengt, ist ja noch viel zermatschter....."

Und Ihr Sohn, ohne den die Batterienindustrie schon lange pleite gegangen wae-
re,befreite sich endlich einmal von den Kopfhoerern seines Walkmans und fuegte
froehlich grinsend hinzu:

"Eh  Mann eh...kommt  ja geil...die sehen ja fast wie Waldi aus....wann halten
wir denn mal an....??...ich habe Hunger...."

Irgendwo in  einem Kinderzimmer ueberprueft gerade ein beliebiger grosser Bru-
der mit freundlicher Unterstuezung seiner kleinen Schwester, die Wirkungsweise
von Domestos,um dann feststellen zu muessen, dass seine besagte Schwester nach
der Einnahme einer halben Flasche dieser Wundermedizin, so drollige Roechelge-
raeusche von sich gibt, waehrend  Sie sich mit Ihrer Familie staufrei gen Ita-
lien bewegen.

Die Stimmung im inneren Ihres Wagens ist deutlich gestiegen.

Ihre Frau  informiert Sie  staendig ueber moegliche Ausweichmoeglichkeiten bei
Staus westlich  von Pretoria. Ihr  Sohn belehrt  Sie ueber  die Endstehungsge-
schichte des Big Mac, ohne auf den Hinweis zu verzichten, dass die Toten Hosen
bei der naechsten Bundestagswahl Chancen  haetten, Koenige  von Deutschland zu
werden. Ihre  Tochter ist  nun der  festen Ueberzeugung, dass ihre Lehrerin in
Wirklichkeit ein mutantenaehnliches Alien ist, welches nur mit Hilfe von atom-
galaktischen Hyperstrahlen vernichtet werden kann,und Sie kennen nun, dank der
guetigen Mithilfe Ihrer Schwiegermutter, die  Lebensgeschichten von  einem ge-
wissen Dieter Froehn und Karl-August Bolopp.

Italien geht Ihnen durch den Kopf - Strand, Sonne - goettlich!

Sie  blicken  vertraeumt  in den  Rueckspiegel  und erkennen schemenhaft einen
Schriftzug mit der deutlich lesbaren  Buchstabenkombination: "Fahren Sie bitte
rechts ran."

"Eh Mann...die Bullen sind hinter Dir her....geil Papi...haeng' sie ab...."

"Duhu...Papi....sachste  denen, dass  die aufpassen sollen....da vorne hat uns
grade der Terminator ueberholt....der ballert doch sonst alles platt....."

"Ich wusste ja schon immer, dass Dingsbums nicht Auto fahren kann...was hat er
denn jetzt  wieder angestellt.....???...der Franz...ja der war ein guter Auto-
fahrer....."

Sie koennen es  immer noch nicht fassen. Millionen und abermillionen deutscher
Autofahrer sind an diesem Tag auf den hiesigen  Autobahnen unterwegs, und aus-
gerechnet Sie werden von der Autobahnpolizei rechts rangewunken.

Sie beginnen  mit dem Gedanken  zu spielen, dass der kurze Knall vor fuenfzehn
Minuten ein Reh haette sein koennen,welches jetzt verklaert laechelnd an Ihrem
Kuehlergrill klebt.

Und  waehrend just  in diesem  Moment das Nasenbein  irgendeines Kneipenhelden
feststellen muss, dass die Faust  eines Skinheads  rein gar nichts von gemuet-
licher Kneipeneduelle besitzt,betaetigen Sie Ihren Blinker und folgen der Auf-
forderung der Gesetzeshueter.

Acht  Augenpaare sind  vorwurfsvoll auf Sie gerichtet, als Sie kuehl laechelnd
das Fenster Ihres  Prachtwagens herunterkurbeln, um dann wahscheinlich festzu-
stellen, dass sich die Herrn Polizisten lediglich im Fahrzeug geirrt haben.

"Eh Papi....wenn die bloed kommen, mach' sie platt...."

Sie  versuchen Ihre  Gedanken zu ordnen, als Sie jenseits der Fensterumrahmung
eine Ihnen bis dahin voellig unbekannte Stimme wahnehmen koennen.

"Guten Tag....Sie wissen, warum wir sie angehalten haben...???"

Mein Gott...wenn  Sie das wuessten, wuerden sie jetzt nicht schweissgebadet in
Ihrem Sitz kleben.

"Duhu...Papi....pass' auf...das ist nicht RoboCop...der ist gar kein Polizist.
Soll ich den Highlander rufen....???"

Sie  versuchen den  Gefuehlsausbruch  Ihrer Tochter durch ein gewinnbringendes
Laecheln  vergessen zu machen  und blicken  den Herrn  Polizeiwachtmeister nun
fragend an.

"Aehm....huestel.....nein...warum denn....???"

"Wir haben Sie beim Bremsen beobachtet....Ihre Ruecklichter sind beide defekt.
Ihre Papiere bitte....."

Ein Schauer laeuft Ihnen ueber den Ruecken. Sichtlich verstoert blicken Sie in
eine verspiegelte Sonnenbrille.

Ihre  Lippen  scheinen  verklebt. Ihre  Augen  nur  noch aengstlich  blickende
Schlitze.

Und waehrend ein froehlicher Teen, der gerade seine erste Rasur vollendet hat,
feststellen muss, dass in keiner Ausgabe der "Bravo" erwaehnt wurde, dass sich
nach der ersten Nassrasur das linke Ohrlaeppchen, die Unterlippe und die halbe
Nase im  Waschbecken befinden, blicken Sie dem Herrn Gesetzeshueter nun sicht-
lich ernster und mit einem  panikartigen Ausdruck auf Ihrem Gesicht in die be-
reits erwaehnte Sonnenbrille.

"Scheiss' auf die Ruecklichter......wo ist mein Anhaenger...........???????"


AUF DASS DER WAHNSINN WEITERGEHE...


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