Der ganz normale Wahnsinn · Teil 4

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Die ganze Familie um den Bildschirm versammelt?
Das Knabbergebaeck bereit gestellt?
Das Bier kalt gestellt?
Die Freundin auch kaltge....sorry....
Und warum das Ganze?
Na, weil der Wahnsinn immer noch kein Ende findet.


DER GANZ NORMALE WAHNSINN PART IV.


Ein Loch in der Seitenscheibe, das nagelneue Radio gestohlen,den Anhaenger ir-
gendwo zwischen Koeln und Leverkusen verloren, und die Herrn von der Autobahn-
polizei hatten nichts besseres zu tun,als den Verlust des Anhaengers, aufgrund
Freilegung der nun gut  sichtbaren, kaputten  Ruecklichter mit zwanzig Mark zu
belohnen.

Eine ausweglose Situation?

Aber bei weitem nicht.Schliesslich sind es bis Italien nur noch schlappe zwei-
tausend Kilometer und Sie befinden sich mit Ihrem Anhang immerhin schon an der
Autobahnraststaette Wanne-Eickel-Sued.

Und das nach laecherlichen sieben Stunden.

"Hoer mal...ich gehe mit den Kindern schnell zur Toilette...Mutter schlaeft ja
und Du kannst ja in der Zwischenzeit auf das Auto aufpassen...."

Die Stimme  Ihrer Frau, die nun  froehlich watschelnd, mit zwei offensichtlich
geistesgestoerten Kindern,Richtung Autobahntoilette zieht, erinnert Sie an die
gute alte Bundeswehrzeit.
Ach waren das doch herrliche Zeiten. Nicht  denken, nicht handeln, nichts tun.
Und das Ganze fuer das  fuer damalige Verhaeltnisse einmalige  Gehalt von ein-
hundertdrei Mark und vierundachtzig Pfennigen.

Und was ist Heute?

Sie stehen einsam und verlassen vor einem ehemals neuen Mercedes, blicken ver-
traeumt auf den uebervollen Muelleimer, der neben Ihnen auseinander  zu fallen
scheint,haben die Moeglichkeit Ihren Blick auf eine wundervoll haessliche alte
Dame, die  gerade schlafend  Ihr Auto  vollsabbert, zu  lenken und fragen sich
ernsthaft, ob Sie Italien je erreichen werden.
Herz, was willst Du mehr?

In irgendeinem deutschen  Kinderzimmer, leuchtet  gerade ein beliebiges Klein-
kind, bei dem Versuch, den  angefeuchteten  Zeigefinger  aus der  Steckdose zu
ziehen, freudestrahlend auf, die Voegel ueber Ihnen scheinen ein Liebeslied zu
taellern, und Sie  stehen staunend  vor Ihrer Schwiegermutter und fragen sich,
warum diese Scharbracke die Ruhe besitzt, so tief und fest zu schlafen.

"Hey Kumpel...ist das hier Castrop-Rauxel-Nord....???..."

Sie zucken zusammen, ein Schauer laeuft ueber ihren Ruecken.

Warum kann  man mich nicht  einfach einmal in Ruhe traeumen lassen, denken Sie
sich,als Sie sich um Ihre eigene Achse drehen und auf einen etwa vierzig Jahre
alten  Mann blicken, der  in gelb-roten  Bermudashorts, kartenwedelnd und arm-
schwingend auf Sie zugestapft kommt.

Eine feuchte Halbglatze funkelt unter den Strahlen der sich ueber die Erde er-
giessenden Sonne.Ein schwammiger Bierbauch wippt froehlich unter einem farben-
frohen Hawaii-Hemd bei jedem Schritt rauf und runter.

"Mensch...da hab' ich mich doch total verfranst....ist das hier jetzt Castrop-
Rauxel-Nord....???....wir  wollen unseren Onkel in  Dortmund-LueDo besuchen...
siebzig isser geworden, der alte Sack...wir  sind  vor 'ner  Stunde aus Aachen
losgefahren....ach mein Name ist uebrigens Heiner Kowalski......"

Sie koennten jetzt schon fast am Strand der wundervollen Adria liegen. Irgend-
ein Luigi bringt Ihnen  ein kuehles Bier, welches Sie mit genuesslichen Zuegen
unter Ihrem Sonnenschirm leeren.
Doch stattdessen  haben Sie nun  die Ehre einem  gewissen Heiner Kowalski  aus
Aachen erklaeren zu muessen,dass man sich hier an der beruehmten Autobahnrast-
staette Wanne-Eickel-Sued befindet.

"Das ist aber auch ein  Mist....die Autobahnabfahrten sind hier ja kaum zu er-
kennen...da sind wir Deutschen schon so nett und bieten den Attas Arbeit an...
und die  faulen Saecke  spielen ueberall Arbeiterdenkmahl....und die Autobahn-
schilder wachsen mit Gestruepp zu...."

Waehrend Sie  versuchen, die Worte des offensichtlich extrem auslaenderfreund-
lichen Heiner Kowalski zu ordnen, ist dieser auch schon an Ihnen vorbeigetalpt
und breitet nun, merkwuerdig  grunzend, eine dieser  verhassten Strassenkarten
auf Ihrem Autodach aus.

"Wo wollen Sie denn hin...auch  innen Pott...???....Wahrscheinlich Camping....
jaja...die Campingplaetze in Wanne-Eickel sind ja auch nicht uebel..fahren Sie
'ne Leiche spazieren...?? Ich hoffe, ich habe  die alte Dame nicht geweckt..."

Und waehrend in irgendeiner deutschen Kueche, eine Brotschneidemaschine gerade
unter Beweis gestellt  hat, dass es manchmal recht drollig aussehen kann, wenn
Fingerkuppen an der Tapete kleben,beugen Sie sich, immernoch sichtlich sprach-
los, ueber Ihr Autodach und die darauf befindliche Strassenkarte.

"Aehm...hmmmm....sie befinden sich hier in Wanne-Eickel-Sued...hmmm...Castrop-
Rauxel....hmmmm....das muss doch auch irgendwo sein...."

Sie versuchen gerade,zwischen Kaffeeflecken und zermatschten Fliegen die rich-
tige Autobahn zu  finden, von der  aus man unweigerlich nach Dortmund gelangt,
als Ihr  Gegenueber, nun  sichtlich  erleichtert, das  Kartenmaterial, mitsamt
Fliegen und Kaffee, hektisch zusammenrafft und Ihnen  sein Abschiedsstossgebet
laustark in's linke Ohr bruellt.

"Danke Chef.....meine bloede Alte ist aber auch zu dumm, vernuenftig 'ne Karte
zu lesen...ich sehe  gerade....sie sind  nach Italien unterwegs....dann fahren
sie in  die falsche  Richtung...ach  und wecken sie mal die Schachtel in ihrem
Auto auf...die kriegt sonst noch  'nen Hitzeschlag...also machen sie es gut...
und schoene Gruesse an die wehrte Gemahlin...wenn Sie mal'ne Dusche einrichten
wollen...hier meine Karte...Kowalski Duschvorhangringe...alles klar..tschuess"

Sie kommen sich vor, wie im Rausch.

Und waehrend Heiner Kowalski nun armewedelnd auf seinen Wagen zustapft, hinter
dem, ebenfalls armeschwingend, eine dieser Zweizentner-Kuehe auf ihn zu warten
scheint, die man nur  deshalb heiratet, weil  sie die Gabe besitzen, kochen zu
koennen, und weil einem Freunde und Kollegen nur Verstaendnis entgegenbringen,
wenn man mit einer Geliebten prahlt, stehen Sie fragend mit einer goldumrande-
ten  Visitenkarte in  der Hand, neben einem  nun auch  noch deftig  stinkendem
Muelleimer.

Die Sonne scheint in diesem,so wundervollen Augenblick, nur fuer Sie zu schei-
nen. Und waehrend in  irgendeinem deutschen Backofen, ein Kleinkind, von innen
durch die Scheibe,seinem haemisch grinsenden Bruder dabei zuschaut, wie dieser
gerade besagten Backofen auf zweihundertfuenzig Grad erhitzt, denken Sie ueber
die Warnung Heiner Kowalskis nach und spielen ernsthaft mit dem Gedanken, Ihre
ach so geliebte Schwiegermutter zu wecken.

"...Hallo....wach' auf....es ist doch viel zu warm..."

Nichts  regt sich. Nur  der Wind blaest Ihnen  einen Hauch von Kuehlung in Ihr
leicht erroetetes Gesicht.

"Hey....hallo....aufwachen....Du  musst  aufwachen...du  gehst doch  kaputt im
Wagen....."

Wieder  ruehrt sich  nichts. Sie  blicken ein wenig  traurig auf Ihre sichtbar
vollgesabberte Rueckbank und stellen ganz nebenbei fest, dass Ihr lieber Sohn,
die gesamte Fahrt ueber, auf einem Frosch gesessen  hat, der Sie nun unweiger-
lich an  den immernoch auf  Ihrem Teppich, im heimischen Wohnzimmer  klebenden
Deckeldackel erinnert.

Langsam beginnen Sie nun an jener Frau zu zerren, die eindeutig der Grund fuer
die vollgesabberte Rueckbank zu sein scheint.

"Haaaaalllllooooo.....aufwachen.....mein Gott...hoerst du mich nicht...???..."

Das Zerren verstaerkt sich. Aber irgendwie scheint Ihr Zerren keine Wirkung zu
zeigen.
Ihnen wird warm und kalt zugleich. Die unmoeglichsten Gedanken schiessen Ihnen
durch den  Kopf. Sollte es  wirklich wahr  sein? Es waere zu schoen um wahr zu
sein.
Waehrend Sie gerade versuchen, darueber  nachzudenken, ob sich besagte Schlab-
berin immer schon so kalt anfuehlte,kippt diese, durch Ihr Schuetteln und Zer-
ren sichtlich aus ihrer urspruenglichen Sitzposition gebracht,langsam aber um-
so sicherer zur Seite.
Ein gewisser Triumpf  macht sich in Ihrem  Inneren breit, waehrend das Gesicht
der offensichtlich Verstorbenen nun Kontakt mit dem auf dem Mittelsitz kleben-
den Frosch aufgenommen hat.

"Sie ist tot", schiesst es Ihnen durch den Kopf.
Ich bin sie los. Nie wieder  die Namen anderer  potentieller Heiratskandidaten
Ihrer holden Gattin kennenlernen muessen, keine Vitaminbonbons mehr.
Sie koennen Ihr Glueck  kaum fassen. Es  fallen Ihnen die Triumpfgebaerden ei-
niger Fussballspieler ein, und Sie beginnen mit dem Gedanken zu spielen, einen
lupenreinen Lambada um die neben Ihnen stinkende Muelltonne zu tanzen.

"Duhu Papi...auf dem Klo hat einer gekotzt...das war vielleicht ekelig...."

"Ey iss' das ein Scheiss...die  haben die Pornos in der Tankstelle alle einge-
schweisst....und die Batterien sind hier auch so teuer...."

"So, jetzt kannst Du zur Toilette gehen...ist was...???....Du siehst irgendwie
so gluecklich aus....schlaeft Mutter noch....???...."

Sie zucken zusammen.
Sie spueren deutlich, dass sich die Stimmen, die Ihnen bestens bekannt vorkom-
men, unmittelbar hinter Ihnen befinden.
Jetzt blos nicht anfangen zu lachen. Mein Gott, wie  macht man ein ernstes Ge-
sicht?

Unendlich langsam drehen Sie sich um, das Gesicht auf's aeusserste angespannt.
Die Gesichtsmuskulatur zuckt,als Sie sich nun innerlich einem Lachkrampf nahe,
Ihrer Frau zuwenden. Und  waehrend irgendwo in  einer Kaserne, ein Soldat, bei
dem Versuch, eine Kampfbahn moeglichst laessig hinter sich  zu lassen, mit den
Ohren im Stacheldraht haengenbleibt, oeffnet sich Ihr Mund.

"Du...ich muss Dir was schlimmes mitteilen...huestel....aehm...grins...sorry..
wir sind auf  der falschen  Autobahn....aehm...roechel...und  deine Mutter ist
hin.....prust....sie hat nicht gelitten...grooooooooooeeeeehl............"


AUF DASS DER WAHNSINN WEITERGEHE...


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