Ein Märchen nach Wunsch

Vor langer, langer Zeit lebte in einem Dorf ein Mädchen, das immer ein rotes Käppchen trug. Alle nannten es Rotkäppchen.

Die Kleine hatte es nicht leicht. Ihre Eltern gingen ganz selbstverständlich davon aus, daß sie irgendeine Ausbildung (im Büro? als Verkäuferin?) absolvieren und früher oder später den altbewährten Weg Heirat-Kinder-Haushalt gehen würde. Dabei wollte sie Astronautin werden, Gehirnchirurgin oder Chinchilla-Züchterin oder sonst irgendwas, das ihr endlich das Gefühl geben würde, richtig am Leben und nicht nur ein zukünftiges Anhängsel irgendeines Typen zu sein. Allerdings war Rotkäppchen mit der Äußerung solcher Gedanken in letzter Zeit ein bißchen vorsichtiger geworden, denn die Verwandten beschimpften sie bereits als Emanze und das schien ein ziemlich schlimmer Zustand zu sein (unter dem sich Rotkäppchen allerdings nicht so sehr viel vorstellen konnte). Außerdem zogen Männer die Nase verächtlich kraus bei diesem Wort und Rotkäppchen war eigentlich schon an Jungs interessiert, ziemlich sogar. Sie wollte nur keinen bekochen, verpflegen, bebügeln und das Verhalten seiner Mutter psychotherapieren.

Die Tage dümpelten so vor sich hin, und abgesehen davon, daß Rotkäppchen mit den Eltern Diskussionen führte über die Lehrmaterialien und Prospekte, die sie sich ab und zu bestellte, geschah nichts besonderes. Einer der angebotenen Kurse hieß Lehrgang für Datenfernübertragung und der Vater erklärte direkt, das sei ja wohl nur für Männer. So blieb Rotkäppchen nichts anderes übrig, als sich zu diesem Lehrgang anzumelden, auch wenn der Titel nicht gerade verheissungsvoll klang. Sie konnte und wollte jedenfalls nicht aktzeptieren, daß es irgendwas geben sollte, das ausgerechnet Männer als einzige konnten. Und so begegnete sie zum ersten Mal bewußt einem Computer.

Da der Computer ein höflicher Computer war, stellte er sich Rotkäppchen vor:

'Hallo Rotkäppchen! Mein Name ist McIntosh, und ich komme aus Amerika! Wo hast Du denn Deinen Apfel gelassen? Solltest Du nicht einen Apfel auf dem Kopf tragen, oder habe ich mich da in der Geschichte vertan?'

Rotkäppchen wußte nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie hatte aber gehört, daß Computer furchtbar unfreundliche Dinger sein sollten, und war überrascht, auf so freundliche Weise angesprochen zu werden.

Aber was sollte der Spruch mit dem Apfel? Leider waren Ihre Eltern nicht gerade Literaturfreaks, so daß sie leider noch nicht das Vergnügen gehabt hatte, Schillers Tell zu lesen.

Aber immerhin stand da ein leibhaftiger Computer vor ihr, und man konnte mit dem Ding kommunizieren.

Also setzte sie sich an die Tastatur und legte los. Nach einigem Probieren hatte sie sich soweit zurechtgefunden, daß sie wußte, was ihr neuer Freund so konnte, und sie hatte noch ein paar Fragen.

'Lieber McIntosh', begann sie, 'warum hast Du so einen furchtbar flimmernden Bildschirm?'

'Damit ich Deine Augen besser verderben kann', dachte der Computer, aber er antwortete statt dessen: 'Alles nur eine Frage der Finanzen! Die hier (er meinte wohl das Land NRW) sind nicht in der Lage, mir eine bessere Grafik und einen besseren Bildschirm zu verpassen.'

'Lieber McIntosh', setzte Rotkäppchen fort, 'wozu ist dieses sogenannte Internet gut?'

'Damit ich Dich besser süchtig machen kann', dachte der Computer, aber er erwiderte statt dessen: 'Du kannst damit schnell an alle mögliche Informationen gelangen.'


Und jetzt?

Fortsetzung der Geschichte


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Das Märchen nach Wunsch entstand an einem verregneten Samstagnachmittag im Juni 96.
Es wurde lediglich behutsam an Unicode, HTML5 und den strict-Modus von perl angepaßt.